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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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jiddischen Vokabular prahlt, obwohl er seit seiner Bar Mitzwah nicht mehr in einer Synagoge gewesen ist. Das Meine-Abstammung-ist-besser-als-deine-Syndrom und Olivers Abstammung ist die ländlich-landwirtschaftliche. Deshalb erledigt er das Hacken und Graben mit vorbildlichem Schwung. Die Brüder versuchen, ihn zur Mäßigung anzuhalten; ich glaube, seine Energie erschreckt sie, aber gleichzeitig machen sie sich auch darüber Sorgen, er könne einen Hitzschlag bekommen; Bruder Leon, der Arztbruder, hat mehrere Male mit Oliver darüber gesprochen und ihm erklärt, daß die Vormittagstemperaturen schon zwischen dreißig und fünfunddreißig Grad lägen und im weiteren Tagesverlauf noch höher stiegen. Trotzdem rackert sich Oliver immer weiter ab. Ich halte dieses ganze Herummachen im Boden für seltsam und kaum nachvollziehbar. Es entspricht dieser Zurück-zur-Natur-Romantik, die, wie ich glaube, im Herzen von allen intellektuellen Nur-Stadtmenschen bohrt. Vorher habe ich keine anstrengendere manuelle Tätigkeit ausgeübt als die Masturbation. Somit ist die tägliche Feldarbeit nicht nur zermürbend, sondern auch etwas, das über meine Vorstellung geht, aber ich zwinge mich verbissen durch meine Arbeit. Das steht schon mal fest. Elis Beziehung zur Farmarbeit ähnelt der meinen stark, aber er geht da intensiver, romantischer heran; er redet davon, daß er dadurch physische Erneuerung von Mutter Erde erlange. Und Timothy, der natürlich mit seinen eigenen Händen noch nie mehr getan hat, als sich die Schnürsenkel zuzubinden, geht mit der vornehmen Haltung eines Landedelmanns an die Arbeit – noblesse oblige sagt er mit jeder seiner matten Bewegungen. Er arbeitet, wie die Brüder es ihm aufgetragen haben, aber er läßt dabei keinen Zweifel offen, daß er sich nur deshalb dazu herabläßt, seine Finger schmutzig zu machen, weil ihm ihr kleines Spiel Spaß macht. Nun, graben tun wir alle, wenn auch jeder auf seine Weise.
    Gegen zehn Uhr wird es unangenehm heiß, und wir verlassen die Felder, alle bis auf drei Farmerbrüder, deren Namen ich noch nicht kenne. Sie verbringen zehn bis zwölf Stunden täglich draußen; vielleicht eine Art Buße? Wir anderen, sowohl Brüder als auch Fruchtboden, begeben uns auf unsere Zimmer und baden ein weiteres Mal. Dann versammeln wir vier uns im anderen Flügel zu unserer täglichen Sitzung mit Bruder Miklos, dem Geschichtsbruder.
    Miklos ist ein kompakt und kräftig gebauter kleiner Mann mit Armen wie Oberschenkeln und Oberschenkeln wie Baumstämmen. Er macht den Eindruck noch älter als die anderen Brüder zu sein, obwohl ich zugebe, daß es sich paradox anhört, einen Komparativ wie „älter“ bei einer Gruppe von zeitlosen Wesen zu gebrauchen.
    Er spricht mit einem schwachen, unidentifizierbaren Akzent, und seine Gedankenabläufe sind alles andere als linear: Er schweift ab, wandert herum, gleitet völlig unerwartet von einem Thema ins andere. Ich glaube, daß das Absicht ist und daß sein Verstand eher subtil und unergründlich ist als senil und undiszipliniert. Vielleicht ist es ihm im Verlauf der Jahrhunderte zu langweilig geworden, bloß aufeinanderfolgende Gedankengänge zu verfolgen; ganz sicher würde es mir so ergehen.
    Zwei Themen bringt er uns nahe: den Ursprung und die Entwicklung der Bruderschaft und die Geschichte des Begriffs der menschlichen Langlebigkeit. Beim ersten Thema ist er am schwersten faßbar, oder anders ausgedrückt, er zeigt uns nie eine stringente Linie auf. Wir sind sehr alt, sagt er immer wieder, sehr alt, sehr alt, und ich kann dann nie genau sagen, ob er die Brüder oder die Bruderschaft selbst meint, wahrscheinlich beide; vielleicht sind ja einige Brüder schon von Anfang an dabei, haben ein Leben hinter sich, das nicht nur Jahrzehnte oder Jahrhunderte, sondern ganze Jahrtausende umfaßt. Bruder Miklos deutet prähistorische Ursprünge an: die Höhlen in den Pyrenäen, Dordogne, Lascaux, Altamira, eine geheime Bruderschaft von Schamanen, die noch aus der Zeit des Erwachens der Menschheit stammt. Doch was davon wahr ist und was ins Reich der Fabel gehört, kann ich genausowenig sagen wie, ob die Rosenkreuzler ihren Ursprung wirklich von Amenhotep IV. ableiten können. Aber wenn der Bruder spricht, habe ich die Vision von verrauchten Höhlen, flackernden Fackeln, halbnackten Künstlern, die nur das Fell eines wolligen Mammuts um den Bauch gebunden haben und helle Farbstoffe an die Wände schmieren, und Medizinmännern, die rituell das Schlachten von

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