Bruderschaft der Unsterblichen
versiegelten Raum und wird immer älter, eingeschlossen in der Beengtheit seines vergänglichen und verführten Fleisches. Nein, wir müssen sowohl nach der Langlebigkeit als auch nach Lebenskraft streben.
Und dann gibt es jene, gibt Bruder Miklos zu bedenken, die solche Fragestellungen verachten und sich gegen eine passive Akzeptierung des Todes wehren. Er erinnert uns an Gilgamesch, der vom Tigris zum Euphrat zog, um die dornige Pflanze der Ewigkeit zu suchen und sie an eine hungrige Schlange verlor. Gilgamesch, wohin gehst du? Das Leben, welches du suchst, sollst du nicht finden; denn als die Götter die Menschheit erschufen, versahen sie sie mit dem Tod, aber das Leben selbst behielten sie. Denkt an Lukrez, sagte der Bruder und bemerkte dann, daß es sinnlos sei, der Lebensverlängerung nachzustreben, denn wie viele Jahre man auch durch solche Aktivitäten erringen könne, sie seien nichts im Vergleich zu den Ewigkeiten, die wir als Tote verbringen müßten. Durch die Lebensverlängerung können wir kein Jota von der Dauer unseres Todes abziehen oder abschaben … Wir mögen darum kämpfen und bleiben, aber wenn unsere Zeit gekommen ist, müssen wir gehen, ganz egal, wie viele Generationen wir im Laufe unseres Lebens gesehen haben, uns erwartet der gleiche ewige Tod.
Und Marc Aurel: Auch wenn du dreitausend Jahre lang leben solltest oder genauso viele Jahrzehntausende, denke immer daran, daß kein Mensch ein anderes Leben verlieren kann als sein eigenes … Das längste und das kürzeste Leben laufen auf dasselbe hinaus … alles, was die Ewigkeit betrifft, hat eine Form und dreht sich im Kreis … es spielt überhaupt keine Rolle, ob ein Mensch alles in einhundert oder zweihundert Jahren erfahren kann oder in einer unbegrenzten Zeitspanne. Und von Aristoteles will ich ein Wort im Herzen bewahren: Deshalb befinden sich alle Dinge auf der Erde zu jeder Zeit in einem Stadium des Kreislaufs: Sie entstehen und vergehen wieder … sie können niemals ewig währen, wenn sie gegensätzliche Ideen enthalten.
Soviel Rauheit. Solcher Pessimismus. Akzeptiere es, unterwirf dich, ergib dich, sterbe; sterbe, sterbe, sterbe!
Was sagt die jüdisch-christliche Überlieferung? Der Mensch, der aus einer Frau geboren wurde, hat nur einige Tage zur Verfügung, und diese sind voller Unbilden. Er blüht auf wie eine Blume und wird ebenso abgeschnitten: Er ist nicht mehr als ein Schatten und kann nicht von Dauer sein. Wissen, daß seine Tage vorbestimmt sind, die Zahl seiner Monate begrenzt ist und er beladen ist mit Pflichten, denen er nicht entkommen kann. Die traurige Weisheit des Hiob, die er auf härteste Weise erlangte. Was sagt uns Paulus? Für mich gehört das Leben Christus, und das Sterben ist ein Gewinn. Sollte das Fleisch von Leben erfüllt sein, so hat das für mich den Sinn, fruchtbare Arbeit zu leisten. Und doch weiß ich nicht, wofür ich mich entscheiden soll. Ich stehe wie gespalten vor beiden Möglichkeiten. Mein Wunsch strebt danach, abzuleben und an der Seite von Christus zu sein, denn das will mir weitaus besser erscheinen. Aber, mahnt Bruder Miklos, müssen wir solche Belehrungen annehmen? (Er gibt uns zu verstehen, daß Paulus, Hiob, Lukrez, Mark Aurel, Gilgamesch allesamt Nachzügler gewesen seien, noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, hoffnungslos postpaläolithisch; und wieder einmal gewährt er uns einen kurzen Einblick in die dunklen Höhlen, als er zu seinem Thema über die auerochsenreiche Zeit des Paläolithikums kommt.) Nun entsteigt Miklos plötzlich diesen Niederungen der Verzweiflung, und über einen weiten Bogen eines Rückkreislaufs befinden wir uns wieder beim Vortrag über die Annalen der Langlebigkeit. All die gewaltigen Namen, die Eli uns in den Wintermonaten dauernd vorbetete, als wir immer tiefer in dieses Abenteuer stürzten, eine lange, einsame, geliebte, ausdauernde Reise, vorbei an Adam und Eva, von Pontius zu Pilatus. Und Miklos zeigt uns die Inseln der Gesegneten, das Land der Hyperboräer, das keltische Land der Jugend, das Land Yima der Perser und sogar Shangri-La. (Wisset, schreit der alte Fuchs, ich war ein Zeitgenosse, ich war dabei!) Und der Bruder schleudert uns Ponce de Leons undichten Brunnen entgegen und Glaukus, den Fischer, der die Kräuter, die am Rand des Sees wachsen, kennt und mit der Unsterblichkeit grün wird. Miklos bedenkt uns mit den Fabeln aus Herodots Werk, den Uttarakurus- und den Jambu-Baum, schüttelt hundert leuchtende Mythen vor unseren verwirrten
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