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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Beides. Aber eher noch das zwe i te. Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn ich jetzt zu Oliver ginge und ihm direkt in die eiskalten bla u en Augen sähe. Ich weiß alles über dich, würde ich mit ruhiger Stimme sagen, mit friedlicher Stimme. Ich weiß davon, wie du mit vierzehn von deinem Freund verführt worden bist. Aber du darfst mir jetzt nicht erzählen, daß es wirklich eine Verführung war, Ol , denn ich glaube nicht an Verführungen, und ich kenne mich auf diesem Gebiet etwas aus. Verführt zu werden läßt dich nicht mitmachen, wenn du nicht schwul bist. Du machst mit, weil du das willst, ist es nicht so? Und seit deiner Geburt steckt es in dir, ist in deinen Genen programmiert, in de i nen Knochen, deinen Eiern. Es wartet nur auf die pa s sende Gelegenheit, um ans Tageslicht zu treten. Und s o bald dir jemand die Gelegenheit dazu gibt, wirst du dich dazu bekennen. Nun aufgepaßt, Ol , du hattest deine Chance, und es hat dir gefallen. Danach hast du sieben Jahre damit verbracht, dagegen anzukämpfen. Und jetzt wirst du es mit mir tun. Nicht weil meine Schliche unb e zwingbar sind. Nicht weil ich dich mit Drogen oder A l kohol gefügig gemacht habe. Es wird keine Verführung geben. Nein, du wirst es tun, weil du es willst, Ol , weil du es immer gewollt hast. Du hast nur nie den Mut g e habt, es zu tun. Und ich würde auf ihn zugehen und ihn berühren. Und er würde den Kopf schütteln, und tief aus seinem Hals würde ein rasselndes, hustendes Geräusch kommen, weil er immer noch kämpfte. Und dann würde etwas in ihm brechen, etwas, das sieben Jahre lang a n gehalten hatte, und er würde den Kampf beenden. Er würde sich ergeben, und wir könnten endlich miteinander schlafen. Und danach lägen wir erschöpft und ve r schwitzt eng umschlungen zusammen. Aber seine B e gierde würde rasch abkühlen, wie das immer so ist. Und Schuld und Scham stiegen in ihm auf, und – ich konnte es ganz deutlich vor meinem geistigen Auge sehen – er würde mich zu Tode prügeln, mich niederschlagen, mich auf den Steinboden werfen und sich mit meinem Blut besudeln. Er würde über mir stehen, während ich mich vor Schmerzen krümmte, und er würde mich vor Wut anschreien, weil ich ihn sich selbst gezeigt hatte, von Angesicht zu Angesicht. Und er würde das Wissen um das, was er in meinen Augen gesehen hätte, nicht ertr a gen können. Schon in Ordnung, Ol , wenn du mich schon vernichten mußt, dann tu’s. Das geht schon klar, weil ich dich liebe, und deswegen ist alles, was du mit mir a n stellst, richtig. Und es erfüllt auch das Neunte Myster i um, nicht wahr? Ich bin hierhergekommen, um dich ei n mal zu besitzen und dann zu sterben. Und jetzt habe ich dich besessen, und jetzt, im richtigen mystischen M o ment, werde ich sterben. Und das ist gut so, geliebter Ol , alles hat seine Richtigkeit. Und seine gewaltigen Fäuste zerschmettern meine Knochen. Und mein geborstenes Skelett verdreht sich und zuckt. Von oben läßt sich dann die ekstatische Stimme von Bruder Antony vernehmen, der das Neunte Mysterium intoniert. Und eine unsichtb a re Glocke schlägt: Dong, dong, dong – Ned ist tot, Ned ist tot, Ned ist tot.
    Diese Einbildung wurde auf so erschreckende Weise real, daß ich am ganzen Körper zitterte und zuckte; ich konnte die Gewalt dieser Vision in jeder Körperzelle sp ü ren. Mir kam es so vor, als sei ich bereits bei Oliver g e wesen, hätte mit ihm leidenschaftlich zusammengesteckt, wäre schon unter seinem flammenden Zorn zerbrochen. Deshalb gab es für mich jetzt auch keinen Grund mehr, diese Dinge noch einmal zu tun. Sie waren vorbei, ausg e führt und in einer versiegelten Vergangenheit eing e schlossen. Ich kostete nur noch meine Erinnerungen an ihnen aus. Die Berührung seiner glatten Haut mit meiner. Seine granitharten Muskeln, die unter der prüfenden B e rührung meiner Finger nicht nachgaben. Sein Geschmack auf meinen Lippen. Der Geschmack meines eigenen Bl u tes, das in meinen Mund sickerte, als er auf mich ei n schlug. Das Gefühl, den eigenen Körper aufgegeben zu haben. Die Ekstase. Die Glocke. Die Stimme von oben. Die Brüder, die für mich ein Requiem sangen. Ich verlor mich in visionärer Ehrfurcht.
    Dann bemerkte ich plötzlich, daß jemand in mein Zimmer getreten war. Die Tür öffnete sich und wurde geschlossen. Schritte. Ich hielt das auch für einen Teil meiner Vorstellung. Ohne mich umzusehen entschied ich, daß Oliver zu mir gekommen sein mußte. Und in meinem traumatischen,

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