Bruderschaft der Unsterblichen
Moment b e kannte Medizin ist fast nichts im Vergleich zu dem, was noch zu entdecken bleibt … wir könnten uns selbst von einer unendlichen Zahl von Krankheiten des Körpers und des Geistes befreien, vielleicht sogar von der Alter s schwäche, wenn wir eine hinreichende Kenntnis ihrer Ursachen und aller Heilmittel hätten, mit denen die Natur uns versorgt hat. Das ist Descartes Von der Methode. Und noch einmal Descartes, der im Alter von zweiundvierzig Jahren an Huygens’ Vater schreibt: ‚Ich hab’ nie so sehr auf die Erhaltung meiner Gesundheit geachtet, wie ich es jetzt tue, und obwohl ich früher glaubte, der Tod könne mir nicht mehr als dreißig oder vierzig Jahre rauben, kann er mich jetzt nicht mehr überraschen, ohne mir gleichze i tig die Hoffnung auf mehr als ein Jahrhundert zu nehmen: Es scheint mir jetzt nämlich klar, daß, wenn wir uns vor bestimmten Irrtümern hüten, die wir gewöhnlich in uns e rer Lebensart begehen, wir ohne weitere Erfindungen f ä hig sein werden, ein hohes Alter zu erreichen, das viel länger und fröhlicher sein wird als jetzt.’“
Das habe ich nicht zum erstenmal gehört. Eli hat uns schon vor langer Zeit alle seine Unterlagen präsentiert. Der Entschluß, nach Arizona zu gehen, entwickelte sich außerordentlich langsam und war bis zur endgültigen Reife gezwungen, erst etliche Meilen pseudophilosoph i schen Palavers zu überstehen. Damals wie heute sagte ich: „Descartes starb mit vierundfünfzig, nicht wahr?“
„Ein Unfall. Eine Überraschung. Davon abgesehen hatte er zu jener Zeit seine Theorien über die Langlebi g keit noch nicht zu Ende entwickelt!“
Timothy: „Welch ein Pech, daß er nicht schneller g e arbeitet hat.“
„Ja, wirklich, Pech, für uns alle“, sagte Eli. „Aber uns bleiben immer noch die Hüter der Schädel, von denen wir uns etwas erwarten können. Sie haben ihre Methoden vervollkommnet.“
„Das sagst du.“
„Das glaube ich“, sagte Eli, bemüht, sich seines Gla u bens zu versichern. Und wieder einmal spulte sich der vertraute Ablauf ab.
Eli, aufgerieben von seiner Ermüdung und schwa n kend am Rande des Nicht-mehr-glauben-könnens st e hend, brachte seine Argumente vor, um in seinem Kopf wieder Klarheit herstellen zu können. Die Hände erh o ben, die Finger gespreizt, die Gesten eines Lehrers: „Wir sind uns einig“, sagte er, „daß die Sachlichkeit überlebt ist, daß wir mit dem Pragmatismus fertig sind und der aufgeklärte Skeptizismus überholt ist. Wir haben es mit diesem ganzen Bündel an Prämissen versucht, und sie funktionieren nicht. Sie beschneiden uns in zu vielem, was wichtig ist. Sie beantworten zu wenige von den wir k lichen Fragen; sie lassen uns gebildet und zynisch wirken, aber dennoch ignorant. Einverstanden?“
„Einverstanden“, Oliver mit wilden Augen.
„Einverstanden“, Timothy gähnt.
„Einverstanden.“ Sogar ich, und ich grinse.
Wieder Eli: „Im modernen Leben wird den Mysterien kein Platz gelassen. Die Generation der Wissenschaft hat sie ermordet. Die rationalistische Läuterung hat das U n glaubliche und Unaussprechliche hinweggefegt. Seht nur, wie hohl die Religion in den letzten hundert Jahren g e worden ist. Gott ist tot, so sagen sie. Natürlich ist er das: ermordet, gemeuchelt. Nun, ich bin ein Jude. Ich habe Hebräisch gelernt, wie das jeder rechte kleine Jid tut, ich habe die Thora gelesen, ich hatte mein Bar Mitzwah, und man hat mir einen Füllfederhalter gegeben – aber hat i r gend jemand auch nur einmal mir gegenüber Gott in e i ner Weise erwähnt, die es wert war zuzuhören? Gott ist jemand gewesen, der mit Moses gesprochen hat. Gott ist vor viertausend Jahren eine Feuersäule gewesen. Aber wo ist Gott jetzt? Einen Juden darf man das nicht fragen. Wir haben Ihn seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Wir verehren Gesetze, Diätvorschriften, Gebräuche, die Wo r te der Bibel, das Papier, auf dem die Bibel gedruckt wu r de, und auch das Buch selbst, aber wir verehren keine übernatürlichen Wesen wie zum Beispiel Gott. Der alte Mann mit dem langen Bart, der Sünden zählt – nein, nein, das ist etwas für die Schwartzer, etwas für die Goy. Aber wie steht es mit euch drei Goyim? Auch ihr habt leere Religionen. Du, Timothy, Anglikanische Kirche, was hast du zu bieten? Weihrauchwolken, Brokatroben, einen Knabenchor, der Vaughan Williams und Elgar singt. Du, Oliver, Methodist, Baptist oder Presbyterianer , ich kann sie noch nicht einmal auseinanderhalten, sie sind nichts,
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