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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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kein schlechtes Gewissen deswegen. Ich toleriere ihre Zaubermänner, und ich toleriere auch deine, Eli. Das ist auch ein Merkmal des Gentlemans, Ned: Er ist liebenswürdig, er ist kein Missionar, er setzt nie etwas auf Kosten anderer durch.“
    „Dazu hat er ja auch keinen Anlaß“, sagte ich.
    „Nein, dazu hat er auch keinen Anlaß. Also – ich bin hier, nicht wahr? Ich bezahle das Zimmer, nicht wahr? Mein Anteil beträgt vierhundert Prozent. Muß ich da noch gläubig sein? Muß ich deine Religionen annehmen?“
    „Was willst du eigentlich machen“, sagte Eli, „sobald wir im Haus der Schädel sind, und die Hüter gewähren uns die Prozedur? Willst du dann immer noch skeptisch bleiben? Wird der Vorzug, den du dem Nicht-Glauben gibst, dir so ein Klotz am Bein sein, daß du gar nicht mitmachen kannst?“
    „Ich werde darüber nachdenken“, antwortete Timothy langsam, „wenn ich einen Grund dazu habe.“ Plötzlich wandte er sich an Oliver. „Du warst bis jetzt still, du Id e albild eines Amerikaners.“
    „Was möchtest du denn, das ich sage?“ fragte Oliver. Sein schlanker Körper richtete sich vor dem Fernseher auf. Jeder Muskel bildete sich unter seiner Haut ab: ein wandelndes Anatomie-Lehrbuch. Sein langes rosafarb e nes Gerät trat aus einem goldenen Wald hervor und i n spirierte mich zu unpassenden Gedanken: Weiche, Satan! Auf diesem Weg liegt Gomorrha, wenn nicht sogar S o dom.
    „Hast du nichts zu der Diskussion beizutragen?“
    „Ich habe nicht besonders intensiv zugehört.“
    „Wir haben über diesen Ausflug gesprochen. Das Buch der Schädel und den Grad des Glaubens, den wir daran haben“, sagte Timothy.
    „Aha.“
    „Würde es Ihnen etwas ausmachen, eine Stellungna h me zu Ihrem eigenen Glauben abzugeben, Dr. Marshall?“
    Oliver schien mit seinen Gedanken in einer anderen Dimension zu schweben. Er sagte: „Im Zweifelsfall gebe ich Eli recht.“
    „ Dann glaubst du also an die Schädel?“ fragte Timothy.
    „Ich glaube daran.“
    „Obwohl wir alle wissen, daß die ganze Sache absurd ist?“
    „Ja“, sagte Oliver. „Obwohl sie absurd ist.“
    „Das war auch die Haltung von Tertullian“, warf Eli ein. „Credo quia absurdum est. Ich glaube daran, weil es absurd ist. Ein anderes Verständnis von Glauben ist das natürlich, aber von der Psychologie her stimmt’s.“
    „Ja, ja, das ist genau meine Position!“ sagte ich. „Ich glaube daran, weil es absurd ist. Der gute alte Tertullian. Er spricht genau das aus, was ich fühle. Exakt meine P o sition.“
    „Aber nicht meine.“ Oliver.
    „Nein?“ fragte Eli.
    Oliver sagte: „Ich glaube trotz der Absurdität.“
    „Warum?“ fragte Eli.
    „Warum, Oliver?“ sagte ich eine ganze Weile später. „Du weißt, daß es absurd ist, und trotzdem glaubst du daran. Warum?“
    „Weil ich muß“, sagte er. „Weil das meine einzige Hoffnung ist.“
    Er starrte direkt auf mich. In seinen Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck der Verheerung, als hätte er mit ihnen dem Tod ins Angesicht gestarrt und sei ihm lebe n dig entkommen, doch sei zugleich jede Entscheidung s möglichkeit von ihm genommen, jede Wahlmöglichkeit verkümmert. Er hatte die Trommeln und Pfeifen des T o desmarsches vernommen, am Rande des Universums. Diese frostigen Augen lähmten mich. Seine erwürgten Worte durchbohrten mich: Ich glaube, sagte er: trotz der Absurdität. Weil ich muß. Weil das meine einzige Hof f nung ist. Eine Mitteilung von einem anderen Planeten. Ich konnte die frostige Gegenwart des Todes hier in di e sem Raum unter uns spüren, wie er leise über unsere r o safarbenen Knabenwangen strich.

14. KAPITEL
Timothy
     
    Wir sind schon eine seltene Mischung, wir vier. Wie h a ben wir bloß zusammengefunden? Welche Knoten in den Lebenslinien haben uns nur in die gleiche Stube g e steckt?
    Am Anfang waren da nur Oliver und ich, zwei Ers t semester, die vom Computer dasselbe Doppelzimmer mit Blick auf den Hof zugewiesen bekommen hatten. Ich war direkt von Andover gekommen und ungeheuer von me i ner Wichtigkeit überzeugt. Damit meine ich nicht, daß ich mich vom Familienvermögen hatte beeindrucken la s sen. Das nahm ich als selbstverständlich hin, hatte es immer so gesehen; jedermann, mit dem ich aufwuchs, war reich.
    Daher hatte ich auch keine Vorstellung, wie reich wir waren. Und überhaupt habe ich nie einen Finger krumm machen müssen, um Geld zu verdienen (auch nicht mein Vater, so wenig wie dessen Vater oder wiederum dessen Vater etc. etc.); warum

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