Bruderschaft der Unsterblichen
führt uns der Zweifel? Und wohin der Skeptizismus? Sollen wir es nicht versuchen? Sollen wir nicht einmal nachs e hen?“ Eli hatte seinen Glauben wiedergefunden. Er schrie, er schwitzte, ganz nackt stand er da und wedelte mit den Armen. Sein ganzer Körper war erregt. Er war wirklich schön, in diesem Moment jedenfalls. Eli, schön!
Ich sagte: „Ich bin die ganze Zeit über bei dieser S a che dabei und zur gleichen Zeit würde ich keinen Pfennig in diese Sache investieren. Kannst du das verstehen? Ich liebe die Dialektik des Mythischen. Das Unmögliche rennt gegen meinen Skeptizismus an und treibt mich d a durch vorwärts. Spannungen und Widersprüche sind mein Treibstoff!“
Timothy, der advocatus diaboli, schüttelte den Kopf – die Geste eines Stiers, seine große, massige Gestalt b e wegte sich wie ein langsames Uhrpendel. „Was soll das, Mann? Woran glaubst du wirklich? Die Schädel, ja oder nein, Errettung oder Scheiße, Wahrheit oder Märchen. Also, was?“
„Beides“, sagte ich.
„Beides? Du kannst nicht beiden nachgehen.“
„Doch, ich kann!“ rief ich. „Beiden! Beiden! Ja und Nein! Kannst du meinen geistigen Standort nachvollzi e hen, Timothy? Der Ort, an dem die Spannung am grö ß ten, wo das Ja fest an das Nein gebunden ist. Wo man gleichzeitig die Existenz des Unerklärlichen ablehnt und die Existenz des Unerklärlichen akzeptiert. Das ewige Leben! Das ist Scheiße, nicht wahr, ein Bündel von Wunschvorstellungen, der alte unsinnige Traum. Und gleichzeitig ist es auch real. Wir können tausend Jahre leben, wenn wir das wollen. Aber es ist unmöglich. Ich bejahe. Ich verneine. Ich applaudiere. Ich spotte.“
„Du wirkst nicht sehr überzeugend“, brummte Tim o thy.
„Das, was du sagst, ergibt auch nicht viel Sinn. Ich scheiße auf deine Überzeugung! Eli hat recht: Wir bra u chen Mysterien, wir brauchen das Unerklärliche, das U n bekannte, das Unmögliche. Eine ganze Generation hat es sich selbst beigebracht, das Unglaubhafte zu glauben, Timothy. Und da stehst du mit deinem Militärhaarschnitt und sagst: Das klingt nicht sehr überzeugend!“
Timothy zuckte die Achseln. „Nun gut, was willst du von mir? Ich bin nur ein tumber Tor.“
„Das ist deine Rolle“, sagte Eli. „Dein äußeres Bild, deine Maske. Der große, tumbe Tor. Das isoliert dich. Es bewahrt dich davor, eine Aussage machen zu müssen, sei sie nun emotional, politisch, ideologisch oder metaph y sisch. Du sagst einfach, das verstehe ich nicht und zuckst die Achseln, und dann gehst du einen Schritt zurück und lachst. Warum willst du ein Zombie sein, Timothy? Wa r um willst du dich selbst ausschalten?“
„Er kann nichts dagegen machen, Eli“, sagte ich. „Er ist dazu erzogen worden, ein Gentleman zu sein. Und das heißt per definitionem , daß er sich aus allem heraushält.“
„Ach, findet euch doch selbst“, sagte Timothy in se i ner besten Gentleman-Art. „Was wißt ihr schon, ihr be i den? Was tue ich überhaupt hier? Ich werde von einem Juden und einem Schwulen durch die halbe westliche Hemisphäre gejagt, um ein tausend Jahre altes Märchen zu überprüfen!“
Ich machte eine leichte Verbeugung. „He, sehr gut, Timothy! Den wahren Gentleman erkennt man daran, daß er einen nie ohne Grund beleidigt.“
„Du hast die Frage gestellt“, sagte Eli, „dann bean t worte sie auch. Was tust du hier?“
„Und wirf mir nicht vor, ich hätte dich hierhergejagt“, sagte ich. „Das war Elis Idee. Ich bin genauso skeptisch wie du, vielleicht sogar noch mehr.“
Timothy schnaubte. Ich glaube, er fühlte sich unterl e gen. Dann sagte er sehr ruhig: „Ich bin nur wegen der Fahrt dabei.“
„Wegen der Fahrt! Nur wegen der Fahrt!“ Eli.
„Du hast mich gefragt, ob ich mitkomme. Verdammte Scheiße, du brauchst vier Burschen, hast du gesagt, und ich hatte zu Ostern noch nichts Besseres vor. Meine Freunde. Meine Kameraden. Also habe ich zugesagt. Mein Wagen, mein Geld. Ich kann mit einer Verrücktheit leben. Wie ihr wißt, beschäftigt sich Margo mit Astrol o gie, Waage hier und Fische dort, und Mars zieht ins zeh n te Haus, und Saturn steht im Scheitelpunkt, und sie will nicht bumsen, bevor sie nicht die Sterne befragt hat; das kann manchmal sehr lästig sein. Aber lache ich sie deswegen aus? Lache ich sie aus, wie das ihr Vater tut?“
„Höchstens in Gedanken“, sagte Eli.
„Das ist meine Sache. Ich akzeptiere, was ich akze p tieren kann, und mit dem Rest kann ich nichts anfangen. Aber ich habe
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