Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Ich bin nicht Neds Typ, und er nicht meiner.“ Das werde ich nie vergessen. Es war der erste Hinweis, den ich bekam, daß Ned so veranlagt war, und ich glaube nicht, daß Oliver davon eine Ahnung hatte, obwohl man nie richtig weiß, was eigentlich in Olivers Kopf vor sich geht. Eli hatte Ned natürlich sofort durchschaut. Er war ein Stadtbewohner, ein Intellektueller aus Manhattan , der jeden mit einem Blick richtig einstufen konnte. Eli mochte seinen Zi m mergenossen nicht und wollte raus, und wir hatten eine geräumige Bleibe, so redete er mit Ned, und Ned fragte uns, ob Eli zu uns ziehen könne; das war im November unseres dritten Jahres. Mein erster Jude. Das wußte ich allerdings auch nicht sofort – oh, Timothy Winchester, du dämlicher Arsch, du! Eli Steinfeld aus dem Westen der Dreiundachtzigsten Straße, da kann man einen darauf ablassen, daß er ein Jude ist! Ganz ehrlich, ich dachte, er sei ein Deutscher: Juden heißen Cohen oder Katz oder Goldberg. Es war nicht eigentlich Elis Persönlichkeit, die mich an ihm fesselte, wie man vielleicht meinen mag, aber sobald ich herausgefunden hatte, daß er ein Jude ist, fühlte ich mich gezwungen, ihn bei uns einziehen zu la s sen. Ich konnte doch durch diverse Charaktere nur me i nen Horizont erweitern, und außerdem war ich dazu e r zogen worden, Juden abzulehnen, und ich wollte dagegen ankämpfen. Mein Großvater väterlicherseits hat 1923 einige schlimme Erfahrungen mit cleveren Juden machen müssen: Ein paar jüdische Wall-Street-Haie hatten ihn übers Ohr gehauen und ihn viel Geld in eine Rundfun k gesellschaft stecken lassen, die sie aufbauten. Und sie waren Schlitzohren; und er verlor ungefähr fünf Milli o nen. Von da an wurde es zur Familientradition, allen J u den zu mißtrauen. Sie seien vulgär, schlitzohrig, ve r schlagen usw. und ständig darauf bedacht, einem ehrl i chen protestantischen Millionär sein hart ererbtes Ve r mögen abzuluchsen. Tatsächlich hat mein Onkel Clark einmal mir gegenüber zugegeben, daß Großvater sein Geld hätte verdoppeln können, wenn er innerhalb von acht Monaten verkauft hätte, wie es seine jüdischen Par t ner heimlich getan haben. Aber nein, er wartete ab, um einen noch fetteren Profit herauszuziehen, und fiel auf die Nase. Nun, ich halte nicht alle Familientraditionen aufrecht. Eli zog ein. Klein, irgendwie dunkelhäutig, starke Körperbehaarung , schnelle, nervöse, helle und kleine Augen, eine große Nase. Ein scharfer Verstand. Ein Experte in mittelalterlichen Sprachen; bereits als K a pazität auf diesem Feld anerkannt, obwohl er noch ke i nen akademischen Grad hatte. Auf der anderen Seite der Medaille war er äußerst quälend schweigsam, neurotisch, überempfindlich und ständig in Sorge um seine Män n lichkeit. Andauernd jagte er den Röcken nach, gewöh n lich ohne Erfolg. Das waren zwar auch recht seltsame Mädchen, aber nicht diese besonders häßlichen Figuren, die Ned, Gott weiß warum, bevorzugt: Dieser Eli war hinter einem bestimmten Typ her – scheuen, knochigen, unauffälligen Dingern mit dicken Brillengläsern, flachen Brüsten und so – ich glaube, ich muß nicht mehr fortfa h ren. Natürlich waren sie genauso neurotisch wie er, ha t ten Angst vor Sex und kamen mit Eli nicht zurecht, was seine Probleme nur noch vergrößerte. Er schien wirklich Angst davor zu haben, es einmal mit einer normalen, a t traktiven und sinnlichen Puppe zu versuchen. Eines T a ges im letzten Herbst habe ich als Akt christlicher Bar m herzigkeit Margo auf ihn angesetzt, und er hat sich so dämlich angestellt, daß man es nicht für möglich halten sollte.
    Wir sind schon eine Viererbande. Ich glaube, ich we r de nie das erste (und wahrscheinlich einzige) Mal verge s sen, als unsere Eltern im Frühling des dritten Studienja h res am Karnevalswochenende zusammenkamen. Bis d a hin haben sich unsere Eltern, so nehme ich an, überhaupt kein klares Bild von den Zimmergenossen ihrer Söhne gemacht. Ich habe Oliver einige Male zu Weihnachten zu meinem Vater nach Hause mitgenommen, aber nie Ned oder Eli, und deren Verwandte hatte ich auch noch nie gesehen. Jedenfalls kamen sie jetzt alle zusammen. N a türlich niemand von Olivers Seite. Und Neds Vater war ebenfalls tot. Seine Mutter war eine hagere, hohläugige, knochige Frau, die fast einen Meter achtzig groß war, schwarze Kleider trug und mit irischem Akzent sprach. Ich konnte überhaupt keine Ähnlichkeit zwischen ihr und Ned erkennen. Elis Mutter war plump, kurz, mit wa

Weitere Kostenlose Bücher