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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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möchte meine Unterlagen gerne komplett haben“, sagte er. „Ich wollte ja schon selbst immer einmal hin, aber Sie wissen ja, wie das so ist, es gibt soviel, was man alles machen will, und hat viel zuwenig Zeit dafür.“
    Klar doch, sagten wir ihm. Wir werden Ihnen alles von A bis Z erzählen.
    Rein in den Wagen, Oliver ans Steuer, Eli über die Karte gebeugt, die auf seinen Beinen ausgebreitet ist. In den Westen zum Black Cañon Highway. Ein breiter S u perhighway, der in der Morgensonne schmorte. Kein Verkehr, nur ein paar schwere Laster. Wir rasten nach Norden. Alle unsere Fragen würden in Kürze beantwortet werden; zweifellos würden auch ein paar neue aufta u chen. Unser Glaube, oder vielleicht besser unsere Naiv i tät, würde belohnt werden. Mitten in dieser glühenden Hitze traf mich ein Kälteschauer. Ich vernahm eine lä r mende, aufwallende Ouvertüre, die aus einem tiefen Schacht erwuchs, unheilverkündend, wagnerisch, Tubas und Posaunen machten eine dunkle, pulsierende Musik. Der Vorhang hob sich, aber ich wußte nicht, ob wir den ersten oder den letzten Akt vor uns hatten. Ich zweifelte nicht länger, daß das Schädelhaus sich wirklich dort b e fand. Gilson war zu überzeugt davon gewesen; das war keine Legende, sondern eine weitere Manifestation des Drangs nach Spiritismus, den diese Wüste in der Menschheit zu erwecken schien. Wir würden das Kloster finden, und es würde das richtige sein, der direkte Nac h komme des Klosters, das im Buch der Schädel beschri e ben wird. Wieder ein angenehmes Schaudern – was, wenn wir den Autor des alten Manuskripts leibhaftig zu Gesicht bekommen würden, jahrtausendealt, zeitlos? A l les ist möglich, wenn man nur daran glaubt.
    Glaube. Wie sehr ist mein Leben doch von diesen sechs Buchstaben beeinflußt worden! Das Bildnis des Künstlers als junger Spund: die kirchliche Schule, ihr vermodertes Dach, der Wind pfeift durch die Fenster, die so dringend einer Ausbesserung bedürfen, die bläßlichen, unerbittlichen Nonnen, die finster aus ihren schmuckl o sen Brillen in der Halle auf uns blicken. Der Katechi s mus. Die saubergewaschenen kleinen Jungen in weißen Hemden mit roten Schlipsen. Pater Burke, der uns unte r richtete. Fett, jung, ein rosafarbenes Gesicht, ständig Schweißperlen über der Oberlippe, ein Klumpen weichen Fleisches hing über den Kragen seiner Tracht. Er muß so fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig Jahre alt gewesen sein, ein junger Priester, dem das Zölibat nicht paßte, der Schwanz noch nicht eingerostet, der sich in dunklen Stunden fragte, ob es das alles wert sei. Für den siebe n jährigen Ned war er die Verkörperung der heiligen Schrift, grimmig und gewaltig. Ständig einen langen Stock in der Hand, den er auch einsetzte. Er hatte seinen Joyce gelesen, er spielte seine Rolle, und er schwang den Rohrstock. Sagt mir, ich soll aufstehen. Zitternd erhebe ich mich, möchte mir in die Hose machen und wegla u fen. Meine Nase läuft. (Bis ich zwölf war, lief mir immer die Nase; mein Bild von mir als Kind wird im wesentl i chen von einem dunklen Schmutzfleck und einem klebr i gen Dreckschnurrbart bestimmt. Die Pubertät drehte di e sen Hahn schließlich ab.) Mein Handgelenk fährt zur Oberlippe: einmal rasch drübergewischt. „Sei nicht so gewöhnlich!“ kommt es von Pater Burke, die wäßrigen blauen Augen blitzen. Gott ist Liebe, Gott ist Liebe, aber was ist dann Pater Burke? Der Rohrstock pfeift durch die Luft. Die Blitzschläge seines schrecklichen, hurtigen Schwerts. Gereizt gestikuliert er vor mir. „Das apostol i sche Glaubensbekenntnis, los, raus damit!“
    Stammelnd sage ich: „Ich glaube an den einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, und an den einen Herrn Jesus Christus … und an den einen Herrn Jesus Christus …“
    Ich stockte. Hinter mir ein rauhes Flüstern, Sandy D o lan: „Gottes eingeborenen Sohn.“ Meine Knie zittern. Meine Seele schreit. Letzten Sonntag haben Sandy Dolan und ich nach der Messe durch Fensterscheiben geguckt und seine Schwester dabei beobachtet, wie sie sich u m zog. Fünfzehn Jahre alt, kleine Brüste mit rosafarbenen Knospen, unten dunkle Haare. Dunkle Haare. Bei uns wachsen auch Haare, flüsterte Sandy. Hat Gott uns ges e hen, wie wir sie heimlich beobachteten? Am heiligen Sonntag solche Sünde! Jetzt erhebt sich drohend der Rohrstock.
    „… Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn. Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria …“

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