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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verträumte Sehnsucht – ich weiß genau, was das zu bedeuten hat. Nicht, daß Ned sich mir je genähert hat. Davor hat er Angst – Angst, eine angenehme, ganz nützliche Freundschaft mutwillig zu zerstören, indem er über die Stränge schlägt. Aber trot z dem hegt er Wünsche in dieser Richtung. Bin ich denn der Anstandswauwau, wenn ich ihm weder das zugest e he, was er von mir will, noch daß er dasselbe von dem Hippie bekommt? Welch eine blöde Situation. Aber ich muß die ganze Sache gründlich durchdenken: meinen Zorn, als Ned den Wagen abbremste. Das Geschrei. Die Hysterie. Offensichtlich ist irgend etwas in mir erwacht. Ich werde wohl länger darüber grübeln müssen. Ich muß die wahren Zusammenhänge finden. Das erschreckt mich. Denn ich könnte dabei etwas über mich entdecken, von dem ich gar nichts wissen will.

20. KAPITEL
Ned
     
    Jetzt werden wir wohl zu Detektiven werden. Überall in Phoenix herumsuchen, um das Schädelhaus zu finden. Ich finde das ganz amüsant: Man ist so weil gekommen und kann trotzdem den letzten Schritt nicht tun. Alles, was Eli zur Verfügung steht, ist sein Zeitungsausschnitt, der das Kloster „nicht weit nördlich von Phoenix“ ansi e delt. Doch das ist ein ziemlich großes Gebiet, dieses „nicht weit nördlich von Phoenix“. Darunter kann man alles zwischen hier und dem Grand Cañon fassen, ung e fähr von einer Seite des Staates zur anderen. Wir benöt i gen Hilfe. Heute morgen ist Timothy mit Elis Zeitung s ausschnitt zum Portier gegangen; Eli fühlte sich zu schüchtern oder glaubte, er würde sofort als Ostküstler erkannt –, um selbst zu fragen. Der Portier hatte jedoch nicht die geringste Ahnung von irgendeinem Kloster i r gendwo und schlug uns vor, bei der Zeitung einmal nachzufragen, die direkt auf der anderen Straßenseite gemacht werde. Aber das Zeitungsgebäude, eine Nac h mittagszeitung, öffnete erst um neun. Und wir, deren i n nere Uhr immer noch nach der Ostküstenzeit ging, waren schon sehr früh an diesem Morgen aufgewacht. Es war jetzt gerade erst Viertel nach acht. Also zogen wir noch etwas durch die Stadt, um die fünfundvierzig Minuten totzuschlagen; sahen Friseurläden, Kioske und die Schaufenster von Geschäften, die indianische Töpferw a ren und Cowboy-Ausstattung verkauften. Die Sonne schien schon sehr warm, und das Thermometer am Bankgebäude zeigte sechsundzwanzig Grad. Der Tag versprach sehr heiß zu werden. Der Himmel präsentierte wieder sein grimmiges Wüstenblau; die Berge direkt am Rand der Stadt waren blaßbraun. Die Stadt war noch nicht zum Leben erwacht, kaum ein Auto auf den Str a ßen, außerhalb der Rush-hour in der City von Phoenix.
    Wir sprachen kaum ein Wort miteinander. Oliver schien immer noch in Grübeleien über den Aufstand versunken zu sein, den er wegen des Anhalters entfesselt hatte. Offensichtlich hatte er Schuldgefühle, und das nicht ohne Grund. Timothy gab sich gelangweilt und als etwas Besseres. Er hatte erwartet, in Phoenix sei etwas mehr los, das dynamische Zentrum der dynamischen Wirtschaft von Arizona. Die Stille hier beleidigte ihn. (Später entdeckten wir, daß es ein oder zwei Meilen aus der City heraus ganz schön dynamisch wird, dort, wo die wirkliche Prosperität stattfindet.) Eli war gereizt und in sich gekehrt, er fragte sich zweifelsohne, ob er uns für nichts und wieder nichts durch den Kontinent gescheucht hatte. Und ich? Mißmutig, trockene Lippen, ein Kratzen im Hals. Der Hodensack war angespannt, was mir immer passiert, wenn ich sehr, sehr, sehr nervös bin. Ich spannte meine verkrampften Muskeln am Arsch an und lockerte sie wieder. Was, wenn es das Schädelhaus gar nicht gibt? Schlimmer, was wenn es wirklich existiert? Ein Ende für mein kunstvoll schwankendes Hin und Her; ich müßte schließlich doch Farbe bekennen, müßte mich der Wir k lichkeit stellen, mich selbst zugunsten der Riten der H ü ter aufgeben, oder, auf der anderen Seite, mich verhö h nen und ableben . Wie würde ich mich entscheiden? Ständig schwebte das Neunte Mysterium wie ein Dam o klesschwert über uns, schattenwerfend, bedrohlich, ve r führerisch. Die Ewigkeiten müssen durch Auslöschungen ausbalanciert werden. Zwei leben ewig, zwei sterben sofort. Dieser Satz klingt mir wie zarte, zerbrechliche Musik in den Ohren; er schimmert in der Ferne; aufre i zend singt er aus den nackten Hügeln. Ich fürchte ihn, und gleichzeitig kann ich dem glücksspielhaften Reiz nicht widerstehen, den er anbietet.
    Um neun

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