Bruderschaft der Unsterblichen
nicht. Ned glaubt an gar nichts, noch nicht einmal an sich selbst. Und ich auch nicht. Darauf kann man getrost einen ablassen – ich nicht.
Warum fahre ich überhaupt mit?
Aus demselben Grund, den ich Eli sagte: In Arizona ist es zu dieser Jahreszeit wärmer. Und ich reise gern. Außerdem glaube ich, daß es eine ganz amüsante Erfa h rung werden kann, die Enthüllungen mitzubekommen und meine Kameraden dabei zu beobachten, wie sie he r umkrabbeln, um ihr Schicksal in den Mesas zu finden. Was nützt einem das College, wenn man keine intere s santen Erfahrungen macht, seine Kenntnis von Menschen vergrößert und dabei auch noch Spaß hat? Ich bin nicht aufs College gegangen, um Astronomie und Geologie zu studieren; vielmehr um andere menschliche Wesen dabei zu beobachten, wie sie sich gebärden. Nun, daß nenne ich Studium, da gibt’s Unterhaltung! Als mein Vater mich zum College schickte, sagte er mir, nachdem er mich vorher daran erinnert hatte, daß ich die achte männliche Generation der Winchesters repräsentiere, die diese große, alte Anstalt besucht: „Eines darfst du nie vergessen, Timothy: Das eigentliche Studium der Menschen ist der Mensch. Sokrates hat das vor dreita u send Jahren gesagt, und seitdem hat es seine ewig wä h rende Wahrheit nicht verloren.“ Eigentlich war es ja ein Papst, der dieses Wort im achtzehnten Jahrhundert prä g te, wie ich im dritten Semester entdeckte, aber das spielt ja jetzt keine Rolle. Man lernt vor allem beim Beobac h ten anderer; besonders, wenn man die Chance verpaßt hat, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, weil man das Pech hatte, ein bißchen zu sehr nach den Ur-Ur-Ur-Großvätern geschlagen zu sein. Mein alter Herr sollte mich jetzt sehen, wie ich mit einem Schwulen, einem Juden und einem Jungen vom Lande durch die Gegend fahre. Ich glaube, er würde es gutheißen, solange ich mir der Tatsache bewußt bliebe, daß ich etwas Besseres als die anderen sei.
Ned war der erste, dem Eli davon erzählt hat. Ich sah, wie sie zusammenhockten und flüsterten. Ned lachte. „Verarsch mich nicht, Mann“, sagte er die ganze Zeit, und Eli lief rot an. Ned und Eli kamen gut miteinander aus; meiner Meinung nach, weil sie beide hager und schwächlich sind und zu den unterdrückten Minderheiten gehören. Das war von Anfang an klare Sache, seit unsere Vierergruppe sich zusammengetan hatte – die beiden st e hen gegen Oliver und mich zusammen. Die beiden Inte l lektuellen gegen die beiden Heinis, um es einmal brutal auszudrücken. Die zwei Homos gegen die beiden – nein, eigentlich ist Eli nicht schwul, obwohl Onkel Clark da r auf besteht, daß alle Juden auf Grund ihres Wesens schwul sind, ob sie sich dessen bewußt sind oder nicht. Eli wirkt schwul, wie er lispelt und wegen der Art, wie er sich bewegt. Genau gesagt, er wirkt schwuler als Ned. Ist Eli nur deswegen so hinter den Weiberröcken her, weil er etwas verbergen will? Nun, wie dem auch sei, damals knisterten Eli und Ned mit dem Papier und flüsterten. Dann weihten sie Oliver ein. „Macht es euch vielleicht etwas aus“, fragte ich, „mir zu sagen, was zum Teufel ihr da die ganze Zeit beredet?“ Ich hatte den Eindruck, es machte ihnen Spaß, mich auszuschließen, mir zu vermi t teln, wie man sich als Bürger zweiter Klasse fühlt. Oder sie fürchteten, ich würde sie schlicht auslachen. Aber schließlich ließen sie es auch mich wissen. Oliver fu n gierte als ihr Unterhändler: „Hast du schon was zu Ostern vor?“ fragte er.
„Vielleicht die Bermudas. Oder Florida. Nassau.“ Ich hatte mir noch keine großen Gedanken darüber gemacht.
„Wie wär’s mit Arizona?“ fragte er.
„Was gibt’s denn da?“
Oliver holte tief Luft. „Eli hat einige seltene Man u skripte in der Bibliothek studiert“, sagte er und machte einen dämlichen und unbehaglichen Eindruck. „Dabei hat er eines gefunden, welches das Buch der Schädel heißt. Es scheint seit fünfzig Jahren hier zu liegen, und bislang ist es noch nie übersetzt worden. Eli hat den Text jetzt überarbeitet und glaubt …“
… daß die Hüter der Schädel wirklich existieren und uns in ihr Heiligtum hineinlassen. Jedenfalls wollten Eli, Ned und Oliver hinfahren und sich umsehen. Und ich sei herzlich eingeladen mitzukommen. Warum? Wegen me i nes Geldes? Wegen meines Charmes? Nein, ein Umstand ist ganz sicher, nur Vierergruppen werden als Kandidaten aufgenommen. Und da wir alle Kameraden wären, sei es doch logisch …
Und so weiter. Ich sagte zu,
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