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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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andere, Oliver – interessant, nicht wahr, noch ein Oliver? –, der offensichtlich von dem Treiben zwischen Ned und Julian keine Ahnung hatte, Ned Avancen zu machen, und bald lagen auch diese beiden im Bett. Ned unterhielt somit mehrere Wochen zwei voneinander u n abhängige Beziehungen mit beiden. „Es war ganz lustig“, sagte er, „eine Art Nervenkitzel – die heimlichen Vera b redungen, die Notlügen, die Furcht, der andere könnte uns entdecken.“ Unheil lag in der Luft. Die beiden ält e ren Schwulen verliebten sich in Ned. Beide entschlossen sich, mit dem ursprünglichen Partner zu brechen und mit Ned weiterzuleben. Die Auseinandersetzung stand unmi t telbar bevor. Ned erhielt von beiden Seiten Anträge. „Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich mich in dieser Situ a tion verhalten sollte“, sagte Ned. „ Zu dieser Zeit wußte Oliver, daß ich etwas mit Julian hatte, und Julian wußte, daß zwischen Oliver und mir etwas war, aber es war noch nicht zu offenen Feindseligkeiten gekommen. Falls ich mich zwischen den beiden hätte entscheiden sollen, hätte ich wohl etwas mehr in Richtung Julian tendiert, aber ich hatte keine Lust, derjenige zu sein, der die En t scheidung fällen sollte.“
    Das Bild, das Ned für mich von sich zeichnete, war das eines naiven, unschuldigen Jungen, der in eine Sache hineingeraten war, für die er nichts konnte. Hilflos und unerfahren mußte er gegen die stürmische Leidenschaft von Julian und Oliver ankämpfen etc. etc. Aber unter der Oberfläche schimmerte noch etwas anderes durch, das nicht in Worten zum Ausdruck kam, sondern durch ein gelegentliches Schmunzeln, einzelne Augenaufschläge und andere nonverbale Kommentare zu der Geschichte. Zu jeder Zeit agiert Ned auf mindestens sechs Ebenen, und wenn er erzählt, wie naiv und unerfahren er ist, dann kann man sicher sein, daß gerade das nicht stimmt. Die unter der Oberfläche gelagerte Geschichte, die ich he r aushörte, zeigte mir einen unheilvollen, ränkeschmiede n den Ned, der diese beiden unglücklichen Schwulen zu seinem persönlichen Vergnügen manipulierte – er stellte sich zwischen sie, verlockte und verführte sie abwec h selnd und trieb sie in gegenseitige Rivalität um seine Z u neigung.
    „Der Höhepunkt kam an einem Wochenende im Mai“, sagte er, „als Oliver mich einlud, ihn bei einer Bergste i gertour in New Hampshire zu begleiten – und Julian zu Hause zu lassen. Oliver erklärte, daß es eine ganze Me n ge zwischen uns beiden zu erörtern gäbe, und die klare, frische Luft auf einem Berggipfel gebe die beste Atm o sphäre für ein solches Gespräch.“ Ned erklärte sich ei n verstanden, worüber Julian hysterisch wurde. „Wenn du gehst“, heulte er, „bringe ich mich um.“ Ned hatte keine Lust, auf solche Erpressungen einzugehen, und erklärte Julian, er solle sich zusammennehmen – es sei ja nur für ein Wochenende, und das mache nun wirklich nicht viel aus, er sei ja am Sonntagabend zurück. Aber Julian ließ sich in seinem Gerede von Selbstmord nicht aufhalten. Ohne weiter auf ihn zu achten, packten Ned und Oliver alles für ihren Ausflug zusammen. „Du wirst mich nie mehr lebend wiedersehen“, kreischte Julian. Während Ned mir davon erzählte, parodierte er Julians panikerfül l tes Gekreische auf sehr verächtliche Weise. „Ich hatte Angst, Julian könne es wirklich ernst meinen“, fuhr er fort. „Auf der anderen Seite wußte ich genau, daß es ein Fehler war, auf solche Überreaktionen einzugehen. D a von abgesehen war ich – irgendwo tief in mir – verwirrt über die Vorstellung, ich sei für jemanden so wichtig, daß er ernsthaft einen Selbstmord in Betracht zog.“ Ol i ver erklärte Ned, er solle sich um Julian keine Sorgen machen – und so fuhren sie nach New Hampshire.
    Am späten Samstagnachmittag hatten sie zwölfhundert Meter einen Berghang hinauf geschafft. Oliver nutzte diesen Moment, um seinen Antrag zu stellen. Zieh mit mir zusammen und lebe mit mir, sagte er, und wir we r den alle irdischen Freuden genießen. Die Zeiten des bl o ßen Herummachens waren vorbei; Oliver wollte eine s o fortige und endgültige Entscheidung. Wähle zwischen Julian und mir, erklärte er Ned, und wähle schnell. „Zu dieser Zeit war ich zu dem Schluß gekommen, daß ich mir eigentlich nicht allzuviel aus Oliver machte, der oft dazu neigte, ein Grobian und Tyrann zu sein, zu einer Art von schwulem Hemingway zu werden“, sagte Ned. „Und obwohl ich Julian attraktiv fand, hielt ich

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