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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Hand entgegen.
    »Untersteh dich«, wehrte Margo meine Hand ab.
    Sie fummelte in ihrer Manteltasche, holte einen kleinen Inhalator hervor und sog gierig das Spray ein.
    »Darf ich dich etwas fragen?«
    Margos Hand umklammerte das Spray.
    »Nein.«
    Sie trat einen Schritt zurück, dann noch einen. Gleich würde sie sich umdrehen und fortgehen. Jetzt, dachte ich. Frag es jetzt, oder lass es für alle Zeiten.
    »Ist Charles der Vater von Laurens Zwillingen?«
    Meine Stimme klang zu laut.
    Sie machte einen Satz auf mich zu, den Schneeschieber in der Hand wie einen Stock, den sie als Waffe benutzen wollte. Ihr verhärmtes Gesicht näherte sich meinem. Ihr Mund hatte sich zu einem Spalt verzogen. In ihren Augen kochte eine rohe Wut, die mich trotz allem überraschte.
    »Sprich nie wieder von meinem Sohn. Nie wieder. Nimm nicht einmal seinen Namen in den Mund«, fauchte sie keuchend und inhalierte erneut. »Ihr seid doch schuld, dass das alles passiert ist.«
    »Margo«, sagte ich hilflos.
    Ihr Zeigefinger stieß auf meine Brust. »Ihr seid schuld an allem, was passiert ist. Du und dein Bruder.«
    Sie ließ von mir ab, drehte sich um und ging durch den Schnee davon.
    Abrupt blieb sie noch einmal stehen.
    »Ihr ekelt mich an!«, rief sie zurück. »Ihr alle. Deine ganze Sippschaft oder das, was davon übrig ist.«
    Ich sah ihr nach, während in mir der Hass dieser Frau lärmte und mich ratlos zurückließ.
    Fast mechanisch begann ich, die wenigen Buketts und Kränze unter der Schneedecke hervorzuziehen und den Schnee abzuklopfen, während ich wider jede Vernunft hoffte, dass mich eine Hand von hinten antippte und ich die vertraute Stimme meines Bruders doch noch hörte. Doch es geschah nicht.
    Obwohl ich fror, stand ich schließlich noch eine ganze Weile am Grab und sprach mit dem verwesenden Körper meiner Mutter über meine Trauer und meine Ängste, Hoffnungen und Wünsche, während der Schnee auf meinen Wangen schmolz und sich mit meinen Tränen vermischte.

13
    Jan kniete auf dem Boden und wagte nicht aufzublicken. In seinem Kopf dröhnte es wieder, und der Knöchel schmerzte. Vor ihm stand breitbeinig sein Onkel. Jans Blick klammerte sich an den klobigen braunen Stiefeln fest, die Hinner trug.
    »Wo ist es?«, fragte sein Onkel und packte ihn an der Schulter. »Sieh mich an.«
    Jan sah zu ihm auf.
    So mussten sich die kleinen braunen Feldmäuse fühlen, die ihm der Großvater mal gezeigt hatte. Zierliche Tiere mit weißem Brustfell, die ständig damit lebten, dass ein Bussard, ein Sperber oder ein Roter Milan sie erspähte. Stürzte der Raubvogel dann auf sie herab, rannten sie um ihr Leben, obgleich sie wussten, dass es sinnlos war.
    »Ich frage es nicht noch einmal«, sagte sein Onkel.
    Selbst wenn Jan gewollt hätte, er konnte nicht sprechen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, während es in seinem Kopf unaufhörlich arbeitete. Er konnte es dem Onkel nicht einmal zeigen, denn das, was er wollte, lag draußen unter dem Fenster im Rucksack.
    Er sah seinem Onkel ins Gesicht und öffnete den Mund, als versuchte er, etwas zu sagen. Vor Anstrengung lief sein Gesicht rot an.
    Henny, dachte der Junge. Weshalb ließ sie ihn jetzt allein? Weshalb kam sie denn nicht? Sein Onkel beobachtete ihn fasziniert, lachte auf und legte dabei den Kopf in den Nacken.
    Blitzschnell fuhr Jan auf und biss den Onkel ins Handgelenk. Der Onkel schrie auf, ließ ihn los und zog die Hand weg.
    Jan stieß sich mit dem verletzten Fuß ab. Er keuchte vor Pein, als er den Fuß vom Boden wegdrückte, und sprang durch die Beine seines Onkels hindurch. Er richtete sich auf, doch die groben Hände des Onkels waren trotz des Bisses schneller als er mit dem schmerzenden Fuß. Der Onkel griff nach ihm, erwischte seinen Hosenbund, packte ihn und zerrte ihn daran zurück.
    »Du wirst schön hierbleiben«, sagte der Onkel und hob ihn zu sich hoch. Einem Katzenjungen gleich baumelte Jan klein, zerfranst und dünn vor ihm und fürchtete, dass Schreckliches mit ihm geschehen würde.
    Er hielt die Augen geschlossen und murmelte etwas vor sich hin, schnell und tonlos.
    »Helft mir! Bitte, bitte, helft mir!«
    »Ich bringe dich nach Hause. Hast du mich verstanden? Und du wirst tun, was ich dir sage! Ist das klar?«
    Jan versuchte zu antworten, er öffnete den Mund, doch kein Laut kam daraus hervor.
    Der Onkel setzte ihn auf dem Boden ab, zog sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
    Der Junge beobachtete ihn.
    »Hinner hier. Ich habe Jan bei mir. Mach

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