Bruderschatten
Wohnzimmer.
»Hast du die beiden Kids gesehen? Spiel und Konsole gehören jetzt Max.«
»Bist du verrückt?«
»Nenn es Bestechung. Sonst spielt Max nicht mit Chris, weil der ihm zu jung ist. Und Chris meckert dann rum, und ich hab den Stress.«
Cornelius ging zum Kühlschrank, holte eine Flasche Weißwein heraus und entkorkte sie. Ich füllte zwei Gläser und brachte eins zu Adam ins Wohnzimmer. Ich hätte selbst gern ein Glas getrunken, doch seit ich schwanger war, hatte ich keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Also sah ich zu, wie Cornelius trank, während er abwechselnd in den Spaghetti und in der Tomatensoße rührte.
»Woher kommt ihr eigentlich so spät?«
»Aus dem Krankenhaus«, sagte ich.
»Ist es das, was ich denke?«, fragte er und sah mich besorgt an.
»Ja, aber es ist alles okay. Ich hatte noch mal Glück«, sagte ich.
»Bloß gut.«
Er trat hinter mich und nahm mich in die Arme, die Hände über meinen Rippen verschränkt. Ich ließ es geschehen und genoss den Moment. Er roch fantastisch. Ich schloss die Augen, und sanft begann er, mich zu wiegen. Es war tröstlich und beruhigend, so gehalten zu werden – auch wenn er der falsche Mann war.
Plötzlich erstarrte ich, denn etwas Hartes berührte mich dort, wo es nicht hingehörte. Ich schnappte hörbar nach Luft und schob ihn entrüstet weg.
Er grinste mich an. »Ich kann es nicht ändern. Ich bin ein Mann, du bist eine Frau, und wir beide sind gerade Singles.«
»Himmel, Conny, ich bin’s, Julie. Die, die du an den Zöpfen gezogen hast und die dir eine geknallt hat. Und das nicht nur einmal.«
»Ja, wir hatten schon in der ersten Klasse eine wilde Romanze.«
»Ich bin schwanger von einem anderen«, sagte ich. »Und auch wenn der gerade nicht da ist, hast du nicht das Recht …« Ich verlor den Faden.
»Alex sollte jetzt hier sein und nicht ich«, sagte Cornelius. »Und das weißt du auch ganz genau.«
Einen Augenblick sah ich ihn schweigend an mit aller Abwehr, zu der ich fähig war. In seinen Augen lag eine Sanftheit, die mich irritierte.
»Das soll jetzt aber keine Therapie werden, oder?«, fragte ich.
»Absolut nicht.« Er ging zum Herd und rührte weiter in der Soße. »Aber ich sag dir jetzt mal was, über das ich schon lange nachdenke. Als Jana starb, dachte ich, gut, es hat mich erwischt, und ich habe teuer bezahlt. Jetzt bin ich für den Rest meines Lebens in Sicherheit. Aber so läuft das nicht.«
»Wie weise.«
»Es gibt Menschen, die trifft’s einfach nie. Als hätten sie bei der Geburt einen Glücksbonus fürs ganze Leben mitgekriegt. Sie treffen die richtigen Partner, kriegen die richtigen Kinder, bauen das richtige Haus und haben die richtigen Jobs. Aber Menschen wie du und ich zahlen immer wieder drauf. Und das Schlimme ist, dass es keinen Schutz davor gibt und man auch nicht immun wird.«
»Du findest das Leben ungerecht?«
»Klar«, sagte er und lächelte mich vom Herd her an. »Aber man sollte trotzdem immer wieder versuchen, ein bisschen am Glücksrad zu drehen.«
»Wie soll ich das jetzt verstehen?«
Cornelius schaltete die Herdplatte aus, goss die Spaghetti ab und vermischte sie im Topf mit der Tomatensoße.
Ich wartete auf seine Antwort, doch sie kam nicht. Er stellte den Topf zurück auf die Herdplatte, legte einen Deckel darüber und kam auf mich zu.
»Wir waren von der ersten bis zur vierten Klasse ein Paar.«
»Eins, das sich ständig stritt«, sagte ich.
»Ein untrügliches Zeichen von Sandkastenliebe.«
»Wir sind Freunde«, beharrte ich.
»So was in der Art.« Er lächelte, als sei ich das naivste Wesen im Universum.
»Wir können uns alles erzählen«, sagte ich und merkte, wie hilflos ich wurde.
Er blieb vor mir stehen. Er stand viel zu nah und sah so verdammt gut aus. Panik ergriff mich.
»Weißt du eigentlich, dass alle deine Männer Charles immer ähnlich sahen?«
»Ich stehe eben auf diesen Typ.« Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und darüber hinaus.
»Du solltest deinen Typ ändern«, sagte er und grinste schon wieder.
Ich schnappte nach Luft. Er drehte sich um und ging zurück zum Herd.
»Weshalb versuchen wir beide es nicht mal, Julie?«
»Hast du sie noch alle?«
»War nur eine Frage«, sagte er, »reg dich nicht schon wieder auf.«
»Schluss jetzt mit den Kindereien«, erwiderte ich. »Sag mir lieber, was ihr über Margo rausgefunden habt.«
»Noch nicht das, was ich wollte«, sagte er. »Aber so viel wissen wir schon mal. Margo war in London Agentin für
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