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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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zusammen und steckte es zurück in seine Manteltasche.
    Ich wartete.
    »Sie sind Mutter«, sagte er, schon weniger aufgebracht. »Sie sollten sich um Ihren Sohn kümmern. Ich kann Ihnen das Auto nicht wochenlang vor die Tür stellen, nur um jedem zu signalisieren, dass wir Sie im Auge haben. Nur tun Sie mir einen Gefallen und gehen Sie nie wieder ohne uns irgendwohin, nicht mal zum Bäcker. Und sorgen Sie dafür, dass Ihr Sohn immer in Begleitung eines Erwachsenen ist, wenn er draußen spielt.«
    »Sie glauben, Max sei in Gefahr?«
    »Sie sind in Gefahr und damit Ihre ganze Familie.«
    »Sie wissen doch mehr, als Sie zugeben«, sagte ich.
    »Das ist mein Job.«
    »Wen verdächtigen Sie? Warum wurden diese Frauen getötet?«
    Er sah mich an, als überlegte er tatsächlich, ob er es mir sagen wollte.
    »Wieso haben Sie meine Mutter gedeckt und Leo den Mord in die Schuhe geschoben? Und wieso wollen Sie Leo jetzt schon wieder einen Mord anhängen?«, platzte es aus mir heraus.
    »Halten Sie sich da raus«, sagte er. »Ich kann Ihnen im Moment nicht mehr sagen.« Er zog den Hut wieder tiefer in die Stirn, drehte sich um und ging zur Tür.
    Ich spielte ein paar Möglichkeiten durch. Ihn bitten, ihn festhalten, ihn anflehen, ihn zurückzerren. Doch sosehr ich mir auch eine Antwort von ihm wünschte, letztlich tat ich nichts dergleichen und sah ihm nur resigniert hinterher.
    Er drehte sich noch einmal um, wünschte mir gute Besserung und einen schönen Abend. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss.

36
    Ich unterschrieb ein Formular, dass ich auf eigenes Risiko entlassen wurde. Dann fuhren mein Vater und ich nach Hause.
    »Was ist das denn?«, fragte Adam, als wir in die Einfahrt einbogen. Der Vordereingang war beleuchtet, und vor der Garage parkte ein schwarzer Geländewagen neben meinem Audi. Er gehörte Cornelius, und mein Herz hüpfte vor Freude.
    Max und Chris saßen im Wohnzimmer auf der durchgesessenen Couch und spielten mit der Wii-Konsole Mario Kart . Ihre Augen klebten am Bildschirm, ihre Finger huschten über die Konsolen, und ihre Wangen waren gerötet vor Aufregung darüber, wer schneller, besser und raffinierter fuhr. Sie riefen mir ein flüchtiges »Hallo« zu, ohne den Blick vom Spiel abzuwenden.
    In der Küche mischten sich die Kochdünste von Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten mit dem Geruch von brennendem Holz. In dem alten gusseisernen Ofen knisterten und knackten Holzscheite.
    Cornelius stand in einer schmal geschnittenen Anzughose am Herd und rührte in den Spaghetti. In einer Pfanne mit hohem Rand köchelten Tomaten zu einer Soße ein. Cornelius hatte seinen obersten Hemdknopf geöffnet und den Krawattenknoten gelockert. Sein Jackett hing über der Stuhllehne. Er war frisch rasiert, und sein Parfüm stieg mir in die Nase, als wir uns zur Begrüßung umarmten.
    »Toll gemacht«, sagte ich und zeigte auf den Küchentisch.
    Cornelius hatte die hellgrünen Porzellanteller, das Silberbesteck und die Leinenservietten aus dem Wohnzimmerschrank aufgedeckt. Ich war ein wenig erstaunt, dass er sich bei uns so gut auskannte, doch er gestand, dass ihm das Max verraten hatte.
    Cornelius liebte schöne Dinge und Inszenierungen. Er selbst war an diesem Samstagabend so perfekt gekleidet, als ginge er zu einem Empfang.
    Seine Mutter entstammte einer alteingesessenen altmärkischen Gutsfamilie, die nach 1945 enteignet worden war. Obwohl seine Mutter in der DDR auf sämtliche Privilegien verzichten musste, hatte sie einige Traditionen in ihr Privatleben hinübergerettet. Eine war, dass man sich zum Abendessen umzog, eine andere, dass man niemanden besuchte, ohne sich vorher anzumelden. Ich war heilfroh, dass Cornelius nicht alle Regeln seiner Mutter befolgte.
    Zwischen den Tellern auf dem Tisch erblickte ich einen dicken Umschlag.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Wir reden später«, sagte Cornelius. Er begrüßte meinen Vater und entschuldigte sich, dass er den Tisch gedeckt hatte.
    Mein Vater lächelte ihn freundlich an. »Als du das das letzte Mal gemacht hast, warst du zwölf Jahre alt und scharf auf meine Tochter.«
    Cornelius lachte. »Meine Mutter wollte vorhin nur eine Brühe. Sonst hätte ich heute Abend bei ihr zu Hause gekocht.«
    Seine Mutter hatte sich einen grippalen Infekt zugezogen und lag seit ein paar Tagen mit Fieber und Husten im Bett.
    »Riecht lecker«, sagte ich, zog meine Jacke aus und warf sie ebenfalls über einen Stuhl. Mein Vater nahm beide Jacken und ging hinüber zu den Kindern ins

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