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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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schon vor mir gefragt hatten: »Was grinst ihr so?«
    Prompt bekam ich eine Antwort, die ich nicht hören wollte.
    »Papa ist wieder bei seiner Freundin.«
    »Dein Papa hat hier keine Freundin«, widersprach ich.
    »Hat er wohl. Er hat in jeder Stadt eine Freundin, wenn er gerade keine hat. Deshalb fahren wir immer am Sonntag zu McDonald«, fuhr Chris fort, »wenn ich bei Oma und Opa schlafe. Bei denen steht er nämlich noch später auf als zu Hause. Und ich darf ihn auch nicht wecken.«
    »So genau wollte ich das nicht wissen«, sagte ich. Schließlich wollte ich Chris nicht aushorchen. Cornelius war mein bester Freund. Beste Freunde konnten Sex haben, mit wem sie wollten und so oft sie wollten, und es ging niemanden etwas an. So einfach war das.
    »Sie haben gerade Rango-Figuren«, versuchte es mein Sohn erneut. »Man kann das Menü nehmen und bekommt eine Figur.«
    »Ich würde Roadkill nehmen«, sagte Chris.
    »Das ist das Gürteltier«, erklärte Max mir. »Ich möchte Rango. Mama könnte Bohne bekommen.«
    »Das ist eine Frau. Ein Leguan«, erklärte Chris freundlich.
    »Ich will keinen Leguan«, sagte ich.
    »Leguane sind sehr hübsch«, sagte Chris. »Man kann sie auf den Schreibtisch stellen.«
    »Mama, bitte.« Augenaufschlag, Lächeln, Liebe und Vertrauen im Blick. Meine Ernährungsprinzipien schlitterten auf spiegelglattem Eis ins Nirgendwo. Ich wurde butterweich und quälte mir ein »Okay« ab.
    Die Kinder kreischten und sprangen vom Sofa, rannten auf den Flur, streiften sich die Stiefel über und zogen sich im Rennen die Jacken an. Die Haustür knallte hinter ihnen zu.
    Ihr Hunger schien gewaltig zu sein. Erfahrungsgemäß ließ der nach, sobald sie vor den Burgern und den Pommes saßen.
    Es war hell, überheizt, und es roch nach Bratfett. Vier lächelnde junge Angestellte in roten Uniformen gaben die Menüs aus. Eine Frau schob den Wagen mit dem schmutzigen Geschirr von einer der leuchtend gelben Säulen weg, ein Mann zog einen leeren an den Tischen vorbei, schob ein Kind beiseite, das ihm vor die Füße lief, und rückte dann einen Stuhl an seinen Platz.
    Nachdem jeder sein Tablett mit Burger, Pommes, Coca-Cola und mit seiner Figur bekommen hatte, quetschten wir uns an einen Ecktisch. Trotzdem lächelte ich und fühlte mich in jenem Augenblick, als ich die strahlenden Gesichter von Max und Chris sah, wie der glücklichste Mensch der Welt. Und es war mir in dem Moment auch gleichgültig, dass jeder nur ein Dutzend Pommes und etwa die Hälfte des Burgers aß. Lediglich die Cola tranken sie aus, und Chris rülpste verschämt in seine hohle Hand. Max grinste. Dann stopften sie die neuen Figuren – auch meinen Leguan – in ihre Jackentaschen und fragten, ob sie gehen dürften. Ich nickte, sie stürmten nach draußen, ich schob die Reste und die leeren Becher zusammen und brachte den Tablettstapel weg.
    Ich kaufte noch ein weiteres Menü, hinterließ es unangetastet auf unserem Tisch und hoffte, irgendjemand würde sich darüber freuen. Ich behielt nur die Figur für einen anderen kleinen Jungen, den ich möglichst bald treffen wollte. Ich ging hinaus, wo Max und Chris übermütig krakeelten und sich mit Schneebällen bewarfen.
    Minuten später saßen sie dicht nebeneinander auf dem Rücksitz und fuchtelten mit ihren neuen Figuren herum. Rango stöhnte und quiekte, Roadkill wisperte, und Bohne keifte. Sie spielten eine Szene aus Rango , obwohl sie den Film gar nicht kannten. Sie besaßen selbst genügend Phantasie und erfanden eigene Geschichten. Je wilder, desto besser.
    Mein Handy klingelte. Ich ging dran.
    »Robert hier. Ich hab Cornelius nicht erreicht. Ich nehme an, er pennt noch.«
    »Hm.«
    »Ich krieg nichts über deine alten Mordfälle raus«, sagte er. »Das bedeutet, dass sie nie digitalisiert wurden.«
    »Aber haben die nicht alle alten Fälle Anfang der Neunziger zu digitalisieren begonnen?«, frage ich verblüfft.
    »Nicht alle«, sagte er. »Das hätten sie auch gar nicht geschafft. Die haben damals nur offene Fälle digitalisiert. Über Charles Swann und Claudia Langhoff finde ich nichts. Und wenn ich nichts finde, tut’s auch kein anderer. Sorry, Julie. Aber da muss dir was anderes einfallen.«
    »Was denn?«
    Er lachte. »Mach’s auf die klassische Art.«
    »Und die wäre?«
    Er lachte etwas lauter: »Einbruch. Darauf läuft’s hinaus, wenn es dir wirklich wichtig ist.«
    »Scheiße.« Ich sah entsetzt in den Rückspiegel.
    »Das hab ich gehört!«, rief Chris prompt und sah Max

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