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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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trug seine Uhr. Was meinen Sie, von wem sie die hatte?«
    Unruhs wässrige Augen blickten ohne jede Emotion, als er das sagte.
    Ich schaute auf den Boden. »Von meiner Mutter. Sie trug sie die ganzen Jahre und legte sie nur ab, wenn sie badete oder duschte.«
    »Sie wussten es die ganze Zeit, nicht wahr?«, flüsterte Unruh und stützte einen Arm neben meinem Kopf ab.
    Ich nickte und schaute ihn an.
    »Deshalb wurde Ihnen auch übel, als wir sie Ihnen zeigten.«
    Sein Atem streifte mein Ohr.
    Ich nickte wieder.
    »Haben Sie die Uhr am Arm Ihrer Mutter in den letzten Tagen vor ihrem Tod gesehen?«
    »Ich weiß es nicht.« Ich sah ihn aus den Augenwinkeln an. »Mein Vater rief mich an dem Morgen an, als sie starb. Ich bin sofort nach Solthaven gefahren, doch ich erinnere mich nicht daran, ob sie sie da noch getragen hat.«
    Er nickte. »Ich war vorhin bei Ihrem Vater. Ein paar Beamte haben die Nachbarn befragt und Noras Bild herumgezeigt. Eine alte Dame von gegenüber hat sie erkannt. Sie sagte, sie habe Nora ein paar Tage vor dem Tod Ihrer Mutter ins Haus gehen sehen. Ihr Vater hat es bestätigt. Nora habe zu ihm gesagt, Lauren schicke sie und Ihre Mutter wisse Bescheid. Er wüsste nicht, was die beiden besprochen haben. Er sei in der Küche gewesen, habe einen Tee für sie zubereitet und sei wieder gegangen. Ich nehme an, dass Ihre Mutter Nora an dem Tag die Uhr gegeben hat. Warum tat sie das? Und warum meldete Ihr Vater sich nicht, nachdem er erfahren hatte, wie die junge Tote hieß? Er kannte sie doch.«
    »Haben Sie ihn gefragt?«
    »Natürlich. Mehrmals. Er behauptet dennoch, er habe keinen Zusammenhang zwischen der jungen Frau und der toten Nora Schnitter hergestellt. Er sei noch viel zu sehr mit dem Tod Ihrer Mutter beschäftigt. Dagegen kommt man als Ermittler nicht an. Und foltern kann ich ihn schließlich nicht. Doch zurück zu Ihrer Frage. Warum sollte Ihre Mutter dieser Nora, die sie nach unserer Erkenntnis an dem Nachmittag zum ersten Mal traf, die Uhr Ihres Bruders geschenkt haben? Was meinen Sie?«
    »Weil sie Noras Großmutter war? Weil Leo ihr Vater ist? Wollen Sie das hören?«
    Ich wurde wütend – auf meine Mutter, auf Leo, auf meinen Vater. Wütend, dass ich in dieser klaustrophobischen Toilette feststeckte, eingekeilt zwischen der Tür und Carsten Unruh mit seinem massigen Leib und dem aufgestützten Arm.
    »Ich habe vorhin noch einmal mit Lauren Heinecken gesprochen«, fuhr er fort. »Inoffiziell. Ich habe ihr ins Gesicht gesagt, dass sie lügt und dass Charles Swann nicht der Vater der Zwillinge ist. Sie ist in Tränen ausgebrochen.«
    »Das heißt nichts«, sagte ich. »So war sie immer schon. Sie bricht schnell in Tränen aus. Manchmal wirkt es wie eine Masche. Anders hat sie anscheinend nie gelernt, sich zur Wehr zu setzen.«
    »Sie gab zu, dass sie gelogen hat und dass Ihr Bruder der Vater ihrer Zwillinge ist. Sie hat bestätigt, dass sie Nora Schnitter vor einer Woche zum ersten Mal traf. Nora habe im Schwarzen Adler gewohnt. Wir haben das überprüft und es stimmt.«
    »Nein«, wehrte ich ab und das viel zu laut. »Leo ist nicht der Vater.«
    Unruh legte mir die Hand erneut auf den Mund und schüttelte den Kopf. Ich schob sie wieder weg.
    »Das ist unmöglich. Lauren sagt nicht die Wahrheit. Sie lügt. Sie lügt immer. Sie hat schon in der Schule gelogen.«
    »Ich glaube jedenfalls nicht, dass Charles Swann der Vater ist«, sagte er fast versöhnlich, als wollte er mich beruhigen.
    »Wie großartig«, fauchte ich. »Was für eine Erkenntnis.«
    »Ich brauche Ihren Bruder nur für einen Vaterschaftstest.«
    »Es ist gerade keine Erleichterung, dass Sie ihn nicht gleich verhaften wollen«, sagte ich.
    »Ich habe im Moment keinen Grund, ihn zu verhaften. Sehen Sie, Ihr Bruder schafft es, sich zwei Jahrzehnte lang der Verhaftung zu entziehen. Dann taucht er auf einmal wie aus dem Nichts wieder auf und bringt seine Töchter Nora und Vera um? Er hinterlässt im Haus der Heineckens jede Menge Fingerabdrücke und lässt die Tatzeugen, ein zehnjähriges Kind und eine alte Frau, entkommen? Wie dumm oder verrückt soll er auf einmal sein?«
    »Aber er war da«, sagte ich.
    »Die Frage ist warum?«, nahm Unruh meinen Satz auf. »Sehen Sie, alles deutet in fast perfekter Choreographie auf Ihren Bruder als Täter hin. Und das ist zu viel des Guten. Deshalb glaube ich, dass jemand versucht, ihm etwas anzuhängen. Jemand, der nicht weiß, dass Lauren inzwischen behauptet, Leo Lambert sei der Vater der

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