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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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den Schlagraum. Die anderen Red Stix sind
    verschwunden. Es ist an mir, die drohende Niederlage
    abzuwenden – die Umnak-Bande muß schon ein Dutzend Mal
    gepunktet haben beim Schlagen – doch die Kälte frißt sich ins
    Fleisch. Die Finger sind wie spröde Möhren. Zwei oder drei
    brechen ab, als ich den Schlagstock aufnehme.
    Ich versuche, mich gegen den Otter-Point-Pitcher zu
    verankern. Er blockiert mich mit einer Innenkurve. Der Ball
    rotiert wie ein Stück Packeis. Als ich ihn ›aus‹ schlage,
    hauptsächlich um mich zu schützen, zersplittert mein Daumen.
    Jetzt halte ich das Schlagholz nur noch mit einem Finger und
    dem Handballen. Wie soll ich den Ball führen, selbst wenn ich

    ∗ Flying Fortresses (Fliegende Festungen) = B-17-Bomber / Liberators (Befreier) = B-24-Bomber

    ihn treffe? Brillante Aussichten. Ich scheine
    auseinanderzufallen, Stück um Stück, wie ein Eisberg. D-D-
    Daddy! schreie ich.
    Der Otter-Point-Pitcher verschwindet. Auch die Burschen
    hinter ihm in den armygrünen Parkas und Guttaperchaboots.
    Genau wie die Red Stix. Einfach fort. Ich stehe an der Home
    Plate, eine perforierte Stahlmatte am Ende einer stählernen
    Rollbahn. Die Rollbahn sieht aus wie ein Ozean, ein Ozean aus
    ›Marsden matting‹. Er leckt an den Ausläufern einer
    plattgedrückten Gebirgskette.
    Zwischen zwei Gipfeln taucht ein Flugzeug auf. Die
    Tragflächen schaukeln im Nebel, während es herunterkommt.
    Eine P-40 Warhawk mit dem Tigermaul auf der Schnauze, wie
    die von Chenault und den Flying Tigers. Sie kommt direkt auf
    mich zu.
    Hinter der P-40 spalten Blitze den Himmel. Feurige
    Zickzackschlangen. Ein Donnerschlag kracht in das lange
    stählerne Sieb der Rollbahn, das erste Geräusch außer dem
    Wind, das ich wirklich höre. Mehr Schläge. Sie dämpfen
    einander und verschmelzen zu einem einzigen flachen,
    murmelnden BUUUUM! Die Landebahn wirft Wellen. Wenn
    mich die P-40 nicht unterpflügt, dann werden mich die
    Stahlmatten von den Füßen reißen und aus mir eine Waffel
    machen. Doch ich erstarre zur Salzsäule. Der Pilot der
    Warhawk fährt nicht das Fahrgestell aus, er will gar nicht
    landen. Er kommt im Tiefflug auf mich zugerast, ein paar Fuß
    über dem Boden, knapp vor der vordersten Stahlwelle. Wenn
    er nicht hochzieht, werden die Propeller Goulasch aus mir
    machen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Dann erkenne ich den Pilot im Cockpit. Er sieht aus wie mein
    Vater, wie Richard Oconostota Boles, aber es ist eine entstellte Version des Gesichts. Die Augen treten aus dem Kopf. Die
    Lippen sind zu einem hämischen Grinsen verzogen. Die Nase

    ist abgeflacht wie bei einem Mops. Kurz bevor er den
    Steuerknüppel zurückreißt und Richtung Meer davondonnert,
    da zwinkert er mir zu – zwinkert mir zu, ich kann es nicht fassen.
    Dann bäumt sich die erste rasselnde Welle des Bodenrosts
    vor mir auf. In dem albernen Versuch, dem Waffeleisen zu
    entgehen, reiße ich die Arme über den Kopf. Das weiße
    Rauschen des Windes klingt wie ein Klagelied auf mein
    Schicksal. Ich kann nicht feststellen, ob es mir in den
    aufgerissenen Mund strömt, oder ob es aus meiner Kehle
    dringt. Einerlei, es paßt zu unserem Los. Immerhin hat Daddy
    gezwinkert.

    Ich fuhr jählings aus dem Schlaf, den Widerhall der
    Gleisgeräusche in der Brust: klickerdiklack, klickerdiklack.
    Baseball war nicht das ganze Leben. Ich kannte den Ausdruck
    in Daddys Gesicht, das sich in dieser P-40 auf mich gestürzt
    hatte. Früher hatte er mich schon einmal so angesehen. Und
    gezwinkert hatte er auch damals. Ich saß in der Koje und grub
    diese alte Erinnerung aus, die ganze lausige Angelegenheit.
    Als ich dreizehn war, eines frühen Morgens, schimpften
    Richard Oconostota Boles und die frühere Laurel Helvig
    aufeinander ein und schubsten mit den Stühlen. Schon wieder.
    Ich mußte mir das Wohnzimmer vergegenwärtigen, damit ich
    mir auf dem Weg zum Klo nicht die Zehen stieß. Das
    Geschimpfe wollte nicht aufhören. Die Stimmen verschmierten
    sich zu einem zornigen Gebrüll. Sofafüße ratschten, Stühle
    klapperten.
    Für gewöhnlich, wenn meine Leute stritten, sank irgendwann
    der Lautpegel. Und wenn es nur eine Atempause war. Nicht
    diesmal. Der Lärm schwoll derart an, daß ich mich fragte, ob
    sie sich Verstärkung geholt hatten. Dann, über den tobenden

    Stimmen, hörte ich einen Sturm von Flügelschlägen und
    weichen Kollisionen – wie wenn man einen riesigen Ventilator
    vor die Sparrow Alley gesetzt hätte. Hatte

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