Brüchige Siege
Automotoren
herumzuklempnern.
1937 oder ‘38 kam Deck Glider nach Tenkiller. Vielleicht auf
Colonel Elshtains Betreiben und dank seiner Beziehungen. Ein
paar Monate später hörte Mama bei Rexall auf und ging auf
gut Glück nach Deck Glider. Ihr Nettolohn verdoppelte sich.
Um diese Zeit muß Daddy angefangen haben, zu dem
Nichtsnutz zu verkommen, den Pumphrey aus Otter Point
kannte. Daddy wär auch bei Deck Glider untergekommen,
doch nur schon der Gedanke, hinter Mauern über
Kontaktbürsten für Rücklaufbremsen zu hocken, ließ ihn
durchdrehen. Er dachte, Mama würde das nicht lange
durchhalten, und flehte sie an aufzuhören. Sie wollte nicht. Er schmuggelte Schnaps von Fort Smith herüber oder kaufte das
Zeug von ansässigen Schwarzhändlern und hatte drei- oder
viermal die Woche eine Fahne. Er und Mama führten Krieg.
Oft genug wurde ich wach, wenn sie wie Papageien
aufeinander einkreischten und mit Stühlen herumschubsten.
Ich erinnere mich an die Kratzer am Boden, die morgens wie
gelbe Farbstriche glänzten.
In dem Sommer, als in Europa der Zweite Weltkrieg
ausbrach, da war Daddy plötzlich wieder verschwunden. Was
nun? fragte ich mich. Was nun? Seit Monaten waren wir nicht
mehr zur Sparrow Alley gewesen. Ich feuerte Prallbälle an das
alte Eissilo, noch und nöcher – bis meine Arme sich wie
Fallfenstergewichte anfühlten. Ein Ventil sozusagen. Therapie, würde ein moderner Psychiater sagen.
Mama und ich erwarteten Daddy jeden Augenblick zurück,
so hungrig und schwanzwedelnd wie nach der unglücklichen
Freilandkur beim CCC, doch während die Tage verstrichen
und die Nachrichten von Übersee immer bedrohlicher wurden,
stellten wir das Warten ein. Er schickte kein Geld, wie er das vorher gemacht hatte, und alle seine Kusinen in erreichbarer
Nähe gaben vor, keinen Schimmer zu haben, wo er
abgeblieben war. Vielleicht hatten sie wirklich keinen, doch
Mama hatte da ihre Zweifel.
Nichtsdestotrotz, in meiner Pullman-Koje träumte ich von
ihm.
Aleuten. Ein windiger Flugplatz. Mein Red-Stix-Team muß
gegen eine Meute Soldaten antreten. Wir Tenkiller-Urgestein
tragen unseren regulären Baseball-Flanell, aber die Soldaten
haben sich gegen die Kälte gewappnet: Boots, Jacken mit
Kapuze, Handschuhe wie Küchenfäustlinge in Army-
Gelbbraun. Ein Auswärts-Spiel eben. Das einheimische Team
setzt die Bedingungen fest. Ich hopse am Short herum und
schlage mit den Armen, um mich warmzuhalten. Ich hasse es,
gegen Soldaten zu spielen, weil sie älter und erfahrener sind.
∗
Und hier oben auf den Aleuten dürfen sie als letzte schlagen.
Mitten in einem ziemlich langen Inning. Kommt mir vor, als
hätte ich schon eine Woche gespielt. Otter Point: zwei,
Tenkiller: null. Abgesehen vom Pfeifen des Windes ist mein
Traum lautlos. Die Burschen machen den Mund auf, aber
nichts kommt rüber. Ich kann nicht sagen, ob der Wind die
Stimmen verschluckt oder darüberschwebt wie die
Pianoklänge bei einem Stummfilm mit Buster Keaton.
Nicht lange, und ich scheine allein zu sein. Ich habe zwar
Mitspieler, doch sie stecken in Nebelschleiern.
Sie sind Gespenster in flaumigen Zwangsjacken. Ich bin der
einzige Red Stix mit einem klaren Umriß und einer gewissen
Bewegungsfreiheit, der einzige Red Stix, der mit Enthusiasmus
spielt, aber ich… na ja, ich habe Angst.
∗ Das ist ein Heimvorteil.
Meine Spikes schlagen Feuer – als sei der Vierte Juli*, wate
ich durch einen Teppich aus Feuerwerk. Der Flugplatz ist ein
großes Schachbrett aus gelochten Stahlmatten. Die Matten, die
die Ingenieure auf Umnak über die Tundra gedeckt und fest
miteinander verriegelt haben, bilden die Rollbahn für die
∗
Flying Fortresses und Liberators , unsere aus dem Boden gestampften Bomber. In den Wochenschauen nennt man diese
Technik ›Marsden matting‹.
Von jetzt an fliegt mir jeder geschlagene Ball zu, jede
Chance. Bodenbälle hüpfen mir zu wie Steine mit Schlagseite.
Hochflieger und Tiefflieger sind die Schlimmsten. Jedesmal,
wenn ich zuspringe oder in Stellung gehe, fahren meine Spikes
in die Löcher und ich stürze. Die Kanten der Matten schlitzen
mir die Haut auf. Meine Hände bluten, die Knie sehen aus wie
Tomatenmark.
»L-L-Los, Jungs!« brülle ich. »Ihr m-m-müßt mir helfen!«
Der Wind blies meine Worte nach Sibirien. Ich höre sie nur,
weil ich sie in eine schreckliche Wirbelwindbö schreie.
Stunden später mache ich das letzte ›Aus‹ im Inning und
strauchle selbst in
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