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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Automotoren
    herumzuklempnern.
    1937 oder ‘38 kam Deck Glider nach Tenkiller. Vielleicht auf
    Colonel Elshtains Betreiben und dank seiner Beziehungen. Ein
    paar Monate später hörte Mama bei Rexall auf und ging auf
    gut Glück nach Deck Glider. Ihr Nettolohn verdoppelte sich.
    Um diese Zeit muß Daddy angefangen haben, zu dem
    Nichtsnutz zu verkommen, den Pumphrey aus Otter Point
    kannte. Daddy wär auch bei Deck Glider untergekommen,
    doch nur schon der Gedanke, hinter Mauern über
    Kontaktbürsten für Rücklaufbremsen zu hocken, ließ ihn
    durchdrehen. Er dachte, Mama würde das nicht lange
    durchhalten, und flehte sie an aufzuhören. Sie wollte nicht. Er schmuggelte Schnaps von Fort Smith herüber oder kaufte das
    Zeug von ansässigen Schwarzhändlern und hatte drei- oder
    viermal die Woche eine Fahne. Er und Mama führten Krieg.
    Oft genug wurde ich wach, wenn sie wie Papageien
    aufeinander einkreischten und mit Stühlen herumschubsten.
    Ich erinnere mich an die Kratzer am Boden, die morgens wie
    gelbe Farbstriche glänzten.
    In dem Sommer, als in Europa der Zweite Weltkrieg
    ausbrach, da war Daddy plötzlich wieder verschwunden. Was
    nun? fragte ich mich. Was nun? Seit Monaten waren wir nicht
    mehr zur Sparrow Alley gewesen. Ich feuerte Prallbälle an das
    alte Eissilo, noch und nöcher – bis meine Arme sich wie
    Fallfenstergewichte anfühlten. Ein Ventil sozusagen. Therapie, würde ein moderner Psychiater sagen.
    Mama und ich erwarteten Daddy jeden Augenblick zurück,
    so hungrig und schwanzwedelnd wie nach der unglücklichen
    Freilandkur beim CCC, doch während die Tage verstrichen
    und die Nachrichten von Übersee immer bedrohlicher wurden,
    stellten wir das Warten ein. Er schickte kein Geld, wie er das vorher gemacht hatte, und alle seine Kusinen in erreichbarer
    Nähe gaben vor, keinen Schimmer zu haben, wo er
    abgeblieben war. Vielleicht hatten sie wirklich keinen, doch
    Mama hatte da ihre Zweifel.
    Nichtsdestotrotz, in meiner Pullman-Koje träumte ich von
    ihm.

    Aleuten. Ein windiger Flugplatz. Mein Red-Stix-Team muß
    gegen eine Meute Soldaten antreten. Wir Tenkiller-Urgestein
    tragen unseren regulären Baseball-Flanell, aber die Soldaten
    haben sich gegen die Kälte gewappnet: Boots, Jacken mit
    Kapuze, Handschuhe wie Küchenfäustlinge in Army-
    Gelbbraun. Ein Auswärts-Spiel eben. Das einheimische Team
    setzt die Bedingungen fest. Ich hopse am Short herum und
    schlage mit den Armen, um mich warmzuhalten. Ich hasse es,
    gegen Soldaten zu spielen, weil sie älter und erfahrener sind.
    ∗
    Und hier oben auf den Aleuten dürfen sie als letzte schlagen.
    Mitten in einem ziemlich langen Inning. Kommt mir vor, als
    hätte ich schon eine Woche gespielt. Otter Point: zwei,
    Tenkiller: null. Abgesehen vom Pfeifen des Windes ist mein
    Traum lautlos. Die Burschen machen den Mund auf, aber
    nichts kommt rüber. Ich kann nicht sagen, ob der Wind die
    Stimmen verschluckt oder darüberschwebt wie die
    Pianoklänge bei einem Stummfilm mit Buster Keaton.
    Nicht lange, und ich scheine allein zu sein. Ich habe zwar
    Mitspieler, doch sie stecken in Nebelschleiern.
    Sie sind Gespenster in flaumigen Zwangsjacken. Ich bin der
    einzige Red Stix mit einem klaren Umriß und einer gewissen
    Bewegungsfreiheit, der einzige Red Stix, der mit Enthusiasmus
    spielt, aber ich… na ja, ich habe Angst.

    ∗ Das ist ein Heimvorteil.

    Meine Spikes schlagen Feuer – als sei der Vierte Juli*, wate
    ich durch einen Teppich aus Feuerwerk. Der Flugplatz ist ein
    großes Schachbrett aus gelochten Stahlmatten. Die Matten, die
    die Ingenieure auf Umnak über die Tundra gedeckt und fest
    miteinander verriegelt haben, bilden die Rollbahn für die
    ∗
    Flying Fortresses und Liberators , unsere aus dem Boden gestampften Bomber. In den Wochenschauen nennt man diese
    Technik ›Marsden matting‹.
    Von jetzt an fliegt mir jeder geschlagene Ball zu, jede
    Chance. Bodenbälle hüpfen mir zu wie Steine mit Schlagseite.
    Hochflieger und Tiefflieger sind die Schlimmsten. Jedesmal,
    wenn ich zuspringe oder in Stellung gehe, fahren meine Spikes
    in die Löcher und ich stürze. Die Kanten der Matten schlitzen
    mir die Haut auf. Meine Hände bluten, die Knie sehen aus wie
    Tomatenmark.
    »L-L-Los, Jungs!« brülle ich. »Ihr m-m-müßt mir helfen!«
    Der Wind blies meine Worte nach Sibirien. Ich höre sie nur,
    weil ich sie in eine schreckliche Wirbelwindbö schreie.
    Stunden später mache ich das letzte ›Aus‹ im Inning und
    strauchle selbst in

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