Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
Blechkastens war.
    »Also, Mr. Boles, wollen Sie nun fahren oder staunen?« sagte
    eine tiefe Stimme am Steuer. Sie gehörte einem gut gebauten
    Farbigen Ende Zwanzig. Die eine Pranke lag auf dem Steuer,
    die andere auf dem Türhebel. Um ihm zu zeigen, daß ich nicht
    sprechen konnte, faßte ich mir an den Hals und schüttelte den
    Kopf. Ob Nigger oder nicht, er sollte nicht denken, daß ich
    eingebildet war.
    »So heiser?« sagte er. »Dammich. So heiser im Sommer is
    mit das Schlimmste.«
    Ah-ah. Ich winkte ab und tippte mit dem Finger auf die
    Zungenspitze. Passanten drehten den Kopf.
    »Kommen Sie, Mann«, sagte der Fahrer. »Stecken Sie die
    Zunge weg, ich soll Sie zum Massageraum bringen.«
    Ich kletterte an Bord. Der Junge war mit dem Sack ganz nach
    hinten gegangen. Hinter einer Rückenlehne lugte sein Schopf
    wie ein wolliger schwarzer Kaktus heraus.
    »Sie können nicht reden, eh?« sagte der Fahrer. Ich schüttelte den Kopf. »Kein Problem. Einfach hinsetzen und zuhören.«
    Ich glitt in den Sitz schräg seitwärts des Fahrers; ich
    schwitzte derart, daß ich einen Rorschach-Fleck* hinterließ.

    ∗ DER SCHRECKEN DER CHATTAHOOCHEE VALLEY LEAGUE

    Aber abgesehen von dem Mann und der halben Portion hatte
    ich den Braunen Bomber für mich.
    »Der Junge dahinten ist Euclid«, sagte der Fahrer. »Euclid.
    Wie dieser griechische Geometer.«
    ∗
    Jukli, überlegte ich. Jukli hörte sich fast wie Euclid an.
    »Ich bin Darius Satterfield.« Der Ai-Laut in Darius geriet so
    ∗∗
    lang wie er rund war. »Euclid ist mein Bruder. Das reicht
    fürs erste, Danl.«
    Danl, nicht mehr Mr. Boles. Ein reinblütiger weißer Junge
    hätte Anstoß genommen, doch mir kam erst gar nicht der
    Gedanke, daß Darius sich da was rausnahm. Außerdem hatte
    noch nie ein Mensch – ob schwarz, weiß oder getupft – Mister Boles zu mir gesagt.
    Darius fuhr los. Der Bahnhof fiel hinter uns zurück. Fabriken
    und Autos zogen vorbei. Manche Straßen wurden von riesigen
    Moor- und Virginia-Eichen gesäumt. Auf dem Weg zum
    östlichen Rand von Highbridge war zwischen Mühlhäusern
    und Hütten immer mal wieder ein Blick auf das flache Land zu
    erhaschen. Ein paar Soldaten schlenderten vorbei,
    hauptsächlich sah ich weiße Zivilisten – zumindest bis wir zu einem Marktplatz kamen, wo farbige Frauen Körbe auf dem
    Kopf trugen: mit Tomaten, Okra*, Bohnen und Kürbissen.
    Ganz in der Nähe hatten sich staubige Parzellen mit gedeckten
    Einspännern gefüllt, Wagen mit zwei oder vier Rädern, vor
    denen Pferde oder Maultiere scharrten, ich sah sogar zwei
    Ochsenkarren.
    Ich kam mir vor wie ein Fremder in Tanganjika. Darius war
    ein schweigsamer Fremdenführer, und Euclids Kopf war außer
    Sicht gerutscht. Egal, alles an Highbridge – die Stadt wie die ländlichen Flecken – versetzte mich in Staunen. Das ganze
    Szenario, die Gerüche, die Menschen – ich war ein Ausländer.

    ∗ Euclid: ‘ju:klid
    ∗∗ Darius: dq’raiqs

    Schon 1943 zählte Highbridge nahezu 10000 Einwohner,
    nicht mitgerechnet die fünf- oder sechstausend Soldaten, die
    WAACs* und das Personal von Camp Penticuff. Die
    Einheimischen verdienten tüchtig an den Infanteristen. Am
    Penticuff Strip, der aus dem alten Geschäftsviertel nach
    Südosten abzweigte, gab es Pfandleihen, Kneipen, Tanzlokale,
    Tätowiersalons, sogar ein paar Zwei-Dollar-Puffs. Jobs boten
    ein paar Restindustrien aus Vorkriegstagen: Fleischfabriken,
    Textilfabriken, Gießereien. Immerhin, das Eisenwerk stellte
    jetzt Torpedos her und eine Kistenfabrik Laufroste für
    Schützengräben. Die Erdnuß war zwar der tragende Faktor der
    hiesigen Wirtschaft, doch auf Vieh, Pekannuß und Baumwolle
    hätte die Region nicht verzichten können.
    Auf einer einzigen Fahrt vom Bahnhof in die Stadt bekam
    man nicht alles zu Gesicht. Betrachtete man Highbridge als
    eine verschlafene, womöglich von Malaria geplagte Stadt,
    dann kam man sich überlegen vor – auch wenn man wie ich
    aus einer unbedeutenden Stadt in Oklahoma stammte.
    Tenkiller, so überlegte man, war immerhin eine gestandene
    Grenzstadt, doch Highbridge, das eher an den Außenposten
    einer afrikanischen Kolonie erinnerte, umgab sich mit der Aura einer Großstadt, indem es zum Beispiel einen professionellen
    Baseballclub sponserte.
    Nach knapp fünfzehn Minuten lenkte Darius den Braunen
    Bomber auf einen Parkplatz am McKissic Field. Das Stadion
    ragte empor: hohe Holzwände, Zuschauertribünen wie
    Gerüstbrücken, Masten mit Lampen, die wie

Weitere Kostenlose Bücher