Brüchige Siege
zu
schlafen; so als lägen sie unter einem dünnen Dach, auf dem
der Regen trommelt. Bei mir ist das nicht so. Mich erinnert das Klickerdiklack der Spurkranzräder auf den Geleisen an das
Ticken eines Weckers, der jeden Moment losschrillen kann.
Mein Zug konnte jeden Moment entgleisen…
Ich starb fast vor Erniedrigung, doch wenn es Alarm gegeben
hätte, ich wär wie ein Springteufelchen auf den Beinen
gewesen. (Nachdem ein paar Soldaten in Camp Robinson aus-
und ein paar andere in Little Rock umgestiegen waren, hatte
ich mir eine Koje erobert.) Weinend war ich eingedöst. Ich
träumte von Daddy, von Richard Oconostota Boles.
Daddys Sippe kam aus dem heutigen Pickens County in
Georgia, zusammen mit dem kläglichen Rest der von der
Cholera heimgesuchten Cherokees. Schon meine Ur-Ur-
Urgroßeltern von Daddys Seite, vollblütige, eingeborene
Amerikaner, waren also auf dem Pfad der Tränen gewesen…
Sie kamen nach Oklahoma – ins US-Indianer-Territorium –
und siedelten da, wo heute die Stadt Checotah liegt.
Mama Laurel war eine norwegische Helvig, durch und durch
eine weiße Farmerstochter; sie und Daddy begegneten sich bei
einem protestantischen Picknick am Tenkiller Lake, wo er für
einen Wells-Fargo-Vertreter* aus Muskogee schreinerte.
Daddy war neunzehn, als ich geboren wurde, sieben Jahre
jünger als Mama. Sie hatten es nicht leicht. Das Geld blieb
knapp, und mein Vater hatte eine schmerzliche Schwäche für
Kneipen und Frauen. Mama hielt ihm zugute, daß er so jung
geheiratet hatte – mit siebzehn, als er gerade mal so alt wie ich war, als ich diesen Zug bestieg, um Oklahoma zu verlassen.
Außerdem betete sie ihn an, auch wenn er bloß den Verstand
eines cleveren Zehnjährigen und das Gefühlsleben eines
Gürteltiers hatte.
Daddy spielte Stegreifbaseball, wann immer er konnte, zahlte
gutes Geld für schlechten illegalen Whiskey und verdrehte all
den ›schlimmen‹ Mädels in und um Muskogee den Kopf. Er
baute Ställe, Räucherkammern und Getreidesilos für die Leute
und lernte bei einem ansässigen Pierce-Arrow-Händler das
Handwerk des Automechanikers. Er liebte Autos. Na ja,
eigentlich mehr die Motoren – die Schmiermittel und Kolben
und Riemen.
Ein Jahr, bevor die Wertpapierbörse in den Keller ging, fuhr
Daddy mit einem Einachser von Farm zu Farm und verhökerte
Ful-O-Pep-Mash, ein Hühnerfutter mit Fischlebermehl. Das
Zeug sollte Hennen dazu animieren, baseballgroße Eier zu
legen. Mama erzählte, Daddy habe den Leuten immer einen
richtigen Baseball gezeigt, als ob das ein Beweis gewesen
wäre. Und die erste Runde mit dem Einachser war dann auch
ein Erfolg. Bei der zweiten brauchten die Farmer allerdings nur ihre Zwergeier neben Dads Baseball zu halten, und die Sache
war gegessen. Für einen Pitcher* mit ›Tennisarm‹ mochten die
Eier gerade richtig sein, für Farmer waren sie ein Reinfall.
Nicht lange, und Daddy gab das Futtergeschäft auf und
verlegte sich aufs Reparieren von Landmaschinen.
Mama hatte damals keinen Job. Ich war ihr Job – ein Perpetuum mobile mit Lautsprecheranlage.
Wie dem auch sei, der Markt stürzte ab, die Depression
schlug zu und die Great Plains* verwandelten sich in
Staubbecken. Stürme fegten selbst über unsere östlichsten
Prärien. Und über die Hügel rings um Tenkiller. Tobsüchtige
Mammutgespenster. Die Sonne war ein verrosteter
Mülltonnendeckel hinter einer gewaltigen, mit Tee besudelten
Gardine. Wir wohnten am Rand von Tenkiller. Purer Sand floß
durch jede Ritze des Wohnschuppens, den Daddy von Mr.
Neal gemietet hatte, bedeckte jede Fensterbrüstung, jeden Sims und jeden Türsturz. Zwängte sich unter jede Türschwelle.
Unser Zahnfleisch blutete. Wir bohrten in unseren Nasen nach
Popelperlen. Das Land trocknete allmählich aus, die Jobs taten es rapide. Die Leute kamen in Bewegung.
Eines staubfreien Tages spielte Dickie Boles Baseball mit
mir. Er zeigte mir, wie man fing und wie man warf. Ich stand
vor der Rückwand von Tenkillers leerem Eissilo und
schleuderte einen Spaldeen* dagegen. (Einen von diesen
rosaroten hohlen Hartgummibällen, mit denen Stadtkinder
Stockball* spielen.) Das Aas prallte schneller zurück als Licht.
Ich spielte ihn mit bloßen Händen, änderte schnell die Stellung und schleuderte ihn so hart wie möglich an die Ziegelwand
zurück.
Daddy ließ mich das machen, bis ich fast tot umfiel. Mit
sieben konnte ich dann eine halbe Stunde lang gegen die Wand
spielen, schiefe
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