Brüchige Siege
Nennwerte für
unseren Flug nach Attu und meinen Rückflug nach Kodiak
gegeben, von wo aus ich einen regulären Flug nach Anchorage
nehmen sollte. Dann hatte er mich in die Arme geschlossen
und war zum Rand der Rollbahn zurückgekehrt, von wo er
zusah, wie wir unter einem streifigen Himmel und bei
moderatem Seitenwind abhoben.
»Was halten Sie von diesem Henry-Burschen?« fragte mich
Fego, als wir oben waren und über dem aschfahlen
Wellenschlag des Beringmeers schaukelten.
Seine Frage überraschte mich, wo er doch so wortkarg war.
Ich sagte: »Warum fragen Sie?«
»Er ist so komisch. Nicht nur, wie groß er ist – nein, da ist
noch was anderes. Als hätte er ein paar Gefühle weniger. So
groß, wie er ist, fehlt ihm vielleicht was.«
»Was?«
»Weiß nicht. Vielleicht ein Stück Seele. Ein Stück Geist.«
»Wie lange kennen Sie Henry?«
»Oh, ich kenn ihn ja gar nicht. Hab ihn erst letzten Winter
getroffen. Manchmal arbeite ich für ihn, das ist alles.«
»Ach.«
»Er sagt, Sie hätten bei ihm gewohnt. Gut. Denn ich möchte
die Leute, die ich fliege, besser kennen als diesen großen
Henry-Burschen.«
»Ah ja.«
»Also was halten Sie von ihm?«
»Ich glaube, er arbeitet schwer an seiner Seele«, sagte ich.
»Ich glaube, aus ihm wird mal eine wirkliche Person.«
* * *
ANMERKUNGEN DES (AMERIKANISCHEN)
HERAUSGERERS
Danny Boles, lange Jahre Scout für die Philadelphia Phillies, begann 1978 für die Atlanta Braves zu arbeiten und starb 1991
im Alter von 66 Jahren. Er starb am Eröffnungstag der
Baseballsaison. In den frühen Achtzigern hatte man ihm die
Stimmbänder entfernt, um seinen Kehlkopfkrebs zu zügeln.
1989 wurde die Krankheit wieder virulent und führte zu
seinem Tod.
Schon immer ein berühmter Erzähler, lernte Boles mit Hilfe
eines mikrophonähnlichen Verstärkers zu sprechen, den er sich
an den Hals hielt. Und er verstand es, seine mechanisch
klingende ›Roboter‹-Stimme mit Wärme und Leben zu
erfüllen. Um das autobiographische Material zu gewinnen, das
ich in Brittle Innings zusammengefügt habe, mußte ich nahezu vierzig Interviews mit Mr. Boles führen. Sie schwankten in
ihrer Länge zwischen zwanzig Minuten und nahezu drei
Stunden. Außerdem hatte ich Zugang zu den Tagebüchern von
›Henry Clerval‹, genauer gesagt, zu den handschriftlichen
Kopien, die Mr. Boles gefertigt hatte. Aus diesen Quellen
speist sich die bemerkenswerte Lektüre, die Sie in Händen
halten.
Halten Sie nächstes Jahr nach meiner Sportbiographie The
Good Scout Ausschau, in der ich die Karriere eines Mannes nachzeichne, der zu den fähigsten Baseballscouts des
Nachkriegsamerika zählt. Es ist die Karriere von Mr. Boles.
Das Buch wird Ihre Leichtgläubigkeit etwas weniger in
Anspruch nehmen, als Brittle Innings es vermutlich getan hat, und ich halte es unbescheidenerweise für das beste Buch seiner Art seit Mark Winegardners Prophet of the Sandlots.
GABRIEL STEWART
Columbus, Georgia,
21. August 1992
DANKSAGINGEN
Ich habe nicht nur meiner Familie zu danken, sondern auch
diesen Menschen: Howard Morhaim, meinem unermüdlichen
Agenten; Lou Aronica, einem Herausgeber und Verleger, der
Baseball genauso mag wie ich; Jennifer Hershey, die
einfühlsam und sorgfältig meine Manuskripte redigierte; Eddie
Hall, der mir ein dünnes Buch über Baseball im neunzehnten
Jahrhundert besorgte; Diane Hughes, die mir von der
Bluterkrankheit ihres Vaters erzählte; Joel Gotler, der die
filmischen Möglichkeiten in diesem Material sah; John
Kostmayer, der ein Drehbuch schrieb, das auf einer frühen
Version dieser Story in Novellenlänge fußt; Mark
Winegardner, Autor von Prophet of the Sandlots, einem Meisterstück der Sportliteratur, und nicht zuletzt Mary
Wollstonecraft Shelley und den Machern jener Frankenstein-Universal-Pictures aus den Dreißigern.
ANMERKUNGEN DER ÜBERSETZER
Brittle Innings ist ein sprachlich sehr vielschichtiger Roman, insofern er in amerikanischem Englisch erzählt, dem
Protagonisten ›Henry Clerval‹ britisches Englisch in den Mund
legt und dessen umfangreiche Tagebuchauszüge in einem bis
zu Mary Wollstonecraft Shelley zurückreichenden Britisch
präsentiert, ganz zu schweigen von dem beinahe
allgegenwärtigen Baseball-Slang und den vielen anderweitig
gefärbten Dialogen.
Was den Baseball-Slang betrifft, so möchten wir es nicht
versäumen, an dieser Stelle Klaus Fritsche, einem aktiven
Baseball-Schiedsrichter, für die kommentierende
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