Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
neue Macke.«
    »Du willst bei diesen… diesen Zanies bleiben?«
    »Bestimmt nicht. Nein, ich mach Schluß damit und geh zur
    Army. Ein Mann kann im Krieg nicht Baseball spielen. Er wird
    woanders gebraucht, aber der Krieg hat zwei Gesichter und es
    ist ein beschissenes Spiel, was da abläuft. Du hast ja gesehen, wie die Truthähne balzen.«
    »Die anderen waren die Clowns.«
    »Amen.«
    »Trotzdem, du solltest wieder nach Hause. Laß dir von
    Mister JayMac helfen, er hat Beziehungen zum Militär. Wie
    wär’s denn…?«
    »Danl, stopf deine geballte Weisheit in einen Sack mit
    Kuhscheiße und mach’n Leuchtfeuer draus, okay? War nett,
    dich noch mal zu sehn.«
    Darius tigerte um die Ecke und verschwand im Gebäude. Ich
    wollte ihm folgen. Ein Militärpolizist mit Knüppel und einer
    Fünfundvierziger im geöffneten Halfter versperrte mir den
    Weg. »Nur für Zanies. Bist du ein Zany, Kleiner?«
    Ich wollte warten, bis Darius sich umgezogen hatte und mit
    seinen Kameraden wieder herauskam, doch Coach Brandon
    gabelte mich auf und nahm mich mit nach Tenkiller, und ich
    habe Darius nie wiedergesehen. Soweit ich weiß, hat er nie
    ∗
    integrierten Profi-Baseball gespielt , und manchmal denke ich, er hat sich gleich damals in Camp Gruber zum Militär
    gemeldet – unter falschem Namen – und ist in Übersee
    verblieben.

    ∗ integrierter Baseball meint Baseball ohne Rassenschranken 62

    DREI JAHRE SPÄTER ERHIELT ICH einen eingeschriebenen Brief
    aus Seattle, Washington. Er enthielt Tickets für den Flug von
    Tulsa nach Seattle und zurück mit Zwischenlandungen in
    Denver, Salt Lake City und Spokane. Und andere Tickets von
    Seattle nach Juneau in Alaska und von Juneau nach Anchorage
    und von Anchorage nach Kodiak Island. Der Brief enthielt
    außerdem eine Zahlungsanweisung über zweihundert Dollar
    und folgende Zeilen:

    Lieber Daniel,
    auf der Insel Attu, dem westlichsten Ausläufer des Aleutischen Archipels, habe ich das Grab Deines Vaters gefunden. Nimm
    Dir zwei Wochen Zeit und begebe Dich auf die Wallfahrt zur
    letzten Ruhestatt Deines Erzeugers. Ich lege Geld und Tickets
    bei, die Dich nach Deiner Abschiedsreise wieder nach
    Oklahoma zurückbringen. Auf dem Flugplatz von Kodiak
    stoße ich zu Dir. Du wirst mich am Stengel eines wilden
    Sellerie erkennen, den ich als Willkommensgruß trage.
    Faithfully ›J.‹ H. C.

    Als ob ich irgendein kitschiges Zeichen brauchte. Es sei denn, er hatte sich auf die Größe eines Munchkin heruntergestutzt
    oder war seiner Fratze mit plastischer Chirurgie zu Leibe
    gerückt.
    Wie dem auch sei, die Reise ging mir gegen den Strich. Ich
    war noch nie geflogen und fand die Entfernung und die
    Zwischenaufenthalte schrecklich. Ich besprach mich aber mit
    Ma und erklärte ihr, wer mir die Tickets geschickt hatte und

    daß ich vorhätte, sie zu benutzen. Sie kannte Henry von einem
    zerknitterten Mannschaftsfoto als ›diesen großen, häßlich-
    einfältigen Burschen im Hintergrund‹ und aus meinen Briefen
    als den netten, anständigen Zimmergenossen und aus den
    Stories, die gegen Ende der ‘43er Saison aus Highbridge
    kamen, als einen flüchtigen Mordverdächtigen.
    Mir ging durch den Kopf, Ma könnte Miss Tulipa einweihen
    oder Bürgermeister Stone oder unseren neuen Bezirkssheriff,
    aber ich konnte nicht Tausende von Meilen weit fliegen, ohne
    das Risiko einzugehen, Ma ins Vertrauen zu ziehen.
    »Dick Boles hat es nicht verdient, daß man sein Grab
    besucht«, sagte Mama Laurel. »Und du willst diese Strapaze
    auf dich nehmen, wo er dich so elend im Stich gelassen hat.«
    »Und wenn schon, Mama, ich fliege.«
    »Dann nimm die Brownie mit. Mach ein paar Bilder.«
    … Auf der Reise, in all diesen Flughäfen und Flugzeugen,
    habe ich bestimmt eine ganze Stange – nein, zwei Stangen Zigaretten geraucht. Ich war zwanzig Jahre alt, vor dem Gesetz fast erwachsen, doch bei dem ganzen Auf und Ab, dem
    schlechten Essen und dem Mangel an Schlaf bekam meine
    Akne einen solchen Schub, daß ich mich erst recht an den
    Tabak klammerte. Bis das werweißwievielte Flugzeug –
    diesmal eine kleine Propellermaschine mit dem Schriftzug
    Electra – durch ein fetziges Nebelmeer tauchte und auf dem Rollfeld von Kodiak landete, hustete ich mir bereits die Lunge aus dem Leib.
    Am Rand des Flugfelds war ein Parkplatz, und ganz in der
    Nähe stand Henry. Er wär auch dann nicht zu übersehen
    gewesen, wenn er sich zu den beiden Gruppen gesellt hätte, die ebenfalls da warteten. Als sicheres

Weitere Kostenlose Bücher