Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
Land der Verheißung in Ost-Oklahoma, wohin die Blauröcke sie im
    Winter 1838/39 getrieben hatten. Auf dem Pfad der Tränen.
    Wie auch immer, in meinen Adern fließt ein Achtel oder ein
    Sechzehntel oder ein Zweiunddreißigstel Cherokeeblut,
    irgendein verwässerter Bruchteil wie bei einem indianischen
    Octoron*.
    Mein Weg von Tenkiller nach Georgia sollte den Pfad der
    Tränen umkehren. In mancherlei Hinsicht. Ich war froh, aus Oklahoma herauszukommen, froh, unten in Highbridge in
    einer echten Profi-Riege für richtiges Geld zu spielen. Das
    brachte mehr, als den Besen in einer Fabrik zu schwingen.
    Oder auf dem Grat eines dampfenden Atolls in einen Bunker
    voller Japse zu spazieren.
    Und ließ einen die Arbeitslosigkeit verschmerzen.
    Drei Jahre hatte ich für die Tenkiller Red Stix gespielt, das
    einzige Team, auf das ich es in der High-School abgesehen
    hatte. Als Oberschüler im zweiten Jahr war ich Lückenbüßer
    auf allen Positionen und Ersatz-Schlagmann. Im dritten Jahr
    ging es los.
    Mein Idol war Phil Rizzuto, der Yankee-Shortstop. Seine
    ersten zwei Jahre bei den Yanks waren mein drittes und viertes auf der Tenkiller High-School. Die Teamkameraden nannten
    mich Scooter, weil die Yankee-Fans Rizzuto so nannten. In
    Wahrheit sagten sie Sc-Scooter zu mir, denn ich stotterte
    immer, wenn ich redete.
    Damit konnte ich leben. Indem sie mich Sc-Scooter nannten,
    machten sie sich zwar über mein Handicap lustig, zollten mir
    aber auch ihren Respekt. Ich schlug wie Scooter. Ich fing und
    hielt wie Scooter. Ich konnte einfach Baseball spielen.
    Gar nicht leiden konnte ich, daß mich ein paar
    Schulkameraden, die kein Baseball spielten, Dumbo nannten.
    Um nicht zu stottern, hab ich manchmal einfach den Mund
    gehalten. Dann starrte ich bloß jeden an, der mit mir reden
    wollte. Und wurde für stumm verkauft; boshafter gesagt, für
    dumm. Denn, als ich noch nicht im Baseball-Team war, da war
    jeder in Tenkiller schon mal rüber nach Muskogee* oder rauf
    nach Tahlequah gewesen, um sich Dumbo anzusehen, einen
    ∗
    Disney-Streifen über einen knuffigen, kleinen Elefanten mit
    enorm großen Ohren. Ein wirklich lustiger Film. Zum
    Totlachen. Und ich gab die perfekte Nulpe ab, der man
    ungestraft den Dumbo anhängen konnte, weil ich nicht reden konnte oder wollte, und weil ich dieses gräßliche Paar Ohren
    hatte. Ha-ha. Je größer ich wurde, um so mehr holte ich meine
    Ohren ein, aber als pickliges Kerlchen, das grade mal in der
    Pubertät war, sah ich doof aus.
    Damals sagten die Kids nicht Spasti, sondern Doofmann. Ein
    Doofmann war dasselbe wie ein Spasti. Meine
    Schulkameraden sahen in mir den ungekrönten König der
    Doofmänner. Die Kameraden, sogar welche aus dem Team,
    spielten mir Streiche – steckten mir Leguane in den Spind oder kaputte rohe Eier in den Unterleibsschutz. Die Mädchen
    kicherten hinter lackierten Fingernägeln. Das eine Mal, als ich meinen ganzen Mut zusammennahm und ein Mädchen zum

    ∗ Dumbo, der fliegende Elefant, USA 1941

    Tanz aufforderte – sie war halbwegs hübsch, nicht
    atemberaubend – da stammelte ich wie Sylvester the Cat und wurde rot wie ein Feuerwehrauto.
    »Du bist süß«, gestand sie mir, »aber ich muß noch für die
    Mathe-Arbeit pauken.« Und dann prustete sie vor Lachen.
    Ich wollte raus aus der Provinz. In dem Moment, wo ich aus
    Cherokee-County raus war, würden meine ganzen Probleme
    fffffst sein, wie ein ausgeblasenes Streichholz. Ich würde Arkansas oder Texas betreten und mich in Clark Gable
    verwandeln. (Oder Alan Ladd, der mehr meine Größe hatte.)
    Von einem Einfaltspinsel ist die Rede.
    Meine Chance, aus Tenkiller herauszukommen, rührte daher,
    daß ich den Shortstop für die Red Stix spielte. Bei uns trugen alle Teams – Laufen, Ringen und Basketball – den Spitznamen
    Red Stix. So hatte eine abtrünnige Bande von Rothäuten
    geheißen – Creeks, nicht Cherokees, doch die Creeks gehörten
    auch zu den Fünf Zivilisierten Nationen* – die am Horseshoe Bend in Alabama gegen General Jacksons Tennessee-Miliz
    gekämpft hatten. Die Staffelhölzer unseres Lauf-Teams waren
    rot, und unsere Baseball-Teams hatten rote Schläger, auch
    wenn es nicht eben leicht war, sie im Schuß zu halten. Die
    Farbe meines Schlägers zum Beispiel blätterte immer ab, so
    daß man die Maserung vom Holz sah. Ich bekam jede Menge
    Bälle, nur der Griff blieb die Saison über rubinrot.
    Im Frühling ‘43 traten die Red Stix wie immer gegen die
    Riegen der umliegenden Schulen

Weitere Kostenlose Bücher