Brüchige Siege
ging um sein Wohnmobil herum und schloß
die Fahrerseite auf.
»Das Spiel ist noch nicht zu Ende«, sagte ich.
Er drehte sich um, das Mikro am Adamsapfel. »Für mich
zählen die Spieler, nicht die Spiele. Ich brauche keine
belanglosen Gesamtresultate, um die Spreu vom Weizen zu
trennen.« Selbst mit der flachen, mechanischen Stimme klang Gesamtresultate so, als handle es sich um eine Krankheit.
»Außerdem waren Sie ganz wild drauf, endlich da
fortzukommen. Hab ich recht?«
»Jawoll, Sir«, gab ich unumwunden zu. Die Aprildämmerung
hatte sich wie eine Wellblechtür über uns geschlossen.
Boles sagte: »Gehen Sie nach hinten. Ich mache Ihnen auf.
Wir nehmen einen Schluck und kauen die Sache durch.«
Es dauerte keine Minute, und er hatte mich in die
Wohnschlafküche seines Wohnmobils gelassen. Wir saßen uns
gegenüber in einer engen Zelle mit Tisch, die sich zur Nacht
zweifellos in eine rückgratverkrümmende Koje verwandeln
ließ. Aus Plastiktassen schlürften wir Early-Times-Kentucky-
Whiskey. Kit Carson, geschwängert mit dem Fettgeruch von Hamburgern und dem Limonenduft von Aftershave, kam mir
wie eine stickige Luftschleuse vor. Vielleicht lag es an dieser Wärme aus Mief und Alkohol, daß Boles in dem dünnen Hemd
herumlief. Ich zog die Windjacke aus.
»Ich hob dafür gesorgt, daß Sie mich finden«, sagte Boles.
»Wie das?«
»Sonst, wenn ich auf Tour bin, parke ich diesen Wohnsarg so, daß die Konkurrenz ihn nicht gleich sieht.«
»Die Konkurrenz?«
»Andere Scouts. Ich bin bekannt wie ein bunter Hund. Sobald ich irgendwo auftauche, glauben die, ich habe Witterung
aufgenommen, womöglich einen neuen MVP* im Visier.«
Ich scheute mich nicht, ihm Honig um den Mund zu
schmieren. »Sie haben über vierzig Großligaspieler unter
Vertrag genommen, hab ich recht?«
»Sechsundvierzig. Deshalb verstecke ich Kit vor der
Konkurrenz. Ich parke hinter einer Sporthalle, einem
Müllcontainer. Manchmal nehm ich auch einen Mietwagen.«
»Sie verzichten auf Kit Carson?«
»Sonst kommen mir die Burschen zuvor. Heute bin ich bloß
hier« – er winkte mit der Tasse und meinte den Parkplatz –
»damit Sie nicht das Handtuch werfen, wenn Sie erst ein, zwei Jahre vergeblich hinter mir her sind. Richtig?«
»Warum wollten Sie, daß ich Sie finde? Wollen Sie denn reden?«
»Ich will mich zur Ruhe setzen. Mit Reden läßt sich vielleicht die Gans mästen, die uns das leichter macht.« Er lächelte.
»Wer weiß, vielleicht schafft Reden auch Ordnung in meinem Kopf.«
Boles sagte, er habe eine Geschichte zu erzählen. Er traue
sich aber nicht zu, sie wie ein professioneller Schriftsteller zu erzählen. Also schlug er vor, ich solle den Ghostwriter für ihn machen, und zwar für die Hälfte aller Vorschüsse, plus dreißig Prozent aller Tantiemen, Nebenrechte, Lizenzgebühren und
anderer Einkünfte. Er hatte zu viele Anfänger-Verträge
studiert, als daß man ihn noch über den Tisch hätte ziehen
können. Zudem hatte er, umsichtig wie er war, meine Arbeit
recherchiert, sowohl was das Columbus-Blatt betraf als auch
die Sports Illustrated, die vor Monaten meinen Beitrag über die erste Schiedsrichterin der National League gebracht hatte.
Sein Urteil: Ich sei zwar kein Shakespeare, aber meine Arbeit
sei okay.
»Mr. Boles, das freut mich zu hören, aber ich hatte nicht vor, mir ein Buch erzählen zu lassen. Ich bin Interviewer und
Analytiker.«
»Dann interviewen Sie. Analysieren Sie.«
»Sir, ich möchte ein Buch schreiben, das der Fährte eines
Scouts der Major-League folgt, ein Buch, das auf eigener
Beobachtung beruht, ein Buch aus erster Hand.«
»Heißt das, der Strohkopf, der Ihnen erlaubt, ihm auf die
Finger zu sehen, ist nicht am Profit beteiligt?«
»Mr. Boles…«
»Alles, was er davon hat, ist das zweifelhafte Vergnügen
Ihrer Gesellschaft?«
Ich biß mir auf die Zunge. Ich machte mir nicht viel aus
Boles Ausdrucksweise, doch seine Einschätzung meiner
Absicht – ein Buch von mir, das Geld für mich – traf ins Schwarze.
»Nichts für ungut, junger Freund, aber Ihrer Persönlichkeit fehlt es an Glanz, um mich auf so was einzulassen.«
»Na ja, da wäre noch der Ruhm.«
Boles wandte abrupt den Blick ab.
»Das Buch, das mir vorschwebt hat den Arbeitstitel The
Good Scout. Der gute Scout sind Sie. Es soll die Chronik eines ganzen Jahres werden, in dem Sie unterwegs sind, als Scout für die Atlanta Braves. Außerdem…«
»Sie wären also ein Jahr lang mit mir
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