Brüchige Siege
dem
Dampflöffelbagger ins Schlafzimmer gemußt, um mich aus
den Federn und zur Schule zu jagen. Anders in Highbridge.
Hier liebte ich den Morgen, vor allem den frühen. Ich war
längst auf den Beinen, wenn Darius durch die Flure kam und
sein »Aus den Federn, aber plötzlich!« rief. Mich weckte ein
merkwürdiges inneres Läuten, und ich reagierte. Vielleicht nur, weil ich mir das Gesicht waschen und mich anziehen wollte,
ohne mich von Jumbos glibbrig gelben Augen beobachtet zu
fühlen. Vielleicht, um dem mörderischen Sommer ein
Schnippchen zu schlagen, bevor draußen die Milchwagen
schepperten.
Egal, am Dienstagmorgen vor unserem Trip nach Opelika
krebste ich nach unten und roch den Speck in der Pfanne, die
Brötchen im Backofen und die Orangen, die halbiert und
ausgepreßt werden wollten. Kizzy hatte längst die Küche
angeworfen. Mit ihren Löffeln, Schneebesen und Holzfeuern
raubte sie dem Morgen die letzte Jugendfrische. Und wenn
schon – gegen zehn oder elf schlug sowieso die rasselnde
Klapperschlangenhitze zu. Ich setzte mich auf einen Schemel
direkt neben dem Tisch, auf dem die Brötchen gemacht
wurden, um so meinen Anspruch auf das Erstgebackene
anzumelden.
»Nicht einfach hinsetzen, Mr. Danny.« Kizzy wischte sich
mit dem Handrücken über die Stirn. »Wenn Miss Giselle
kommt, dann macht sie dir Beine.«
Pfui. Kizzy hatte mich gern. Im Laufe der Zeit waren wir
gute Kumpel geworden. Ich ging ihr morgens zur Hand, noch
ehe Darius aus dem Wagenschuppen oder Miss Giselle aus
dem Bungalow kam. Daß ich stumm war, mochte zu unserer
Freundschaft beitragen. Kizzy benutzte mich sozusagen als
toten Resonanzkasten. Ich gab nichts wieder her. Ich schluckte nur.
Mit ihrem schwarzen knotigen Arm, die Hand im
mehlverklebten Küchenhandschuh, zog sie ihr erstes
Brötchenblech aus dem Ofen und setzte es mit einem Knall ab.
»Nimm schon. Verbrenn dir deine gierigen Finger.« Ich
gehorchte, auch was das Verbrennen anging, doch mit diesem
Brötchen zu jonglieren, machte mich glücklich. Der Himmel
hatte sich noch nicht mal gerötet, und ich hatte mir bereits
einen kleinen eßbaren Schatz gesichert.
»Schnell essen und Saft machen, oder Miss Giselle zieht
deine Ohren lang. Und meine.« Kizzy drängte auf ihre
schnoddrige Art.
Ich brach das Brötchen in krümelnde Hälften und kaute und
kaute…
»Du meinst, Miss Giselle wär ‘ne harte Frau mit scharfer
Zunge. Manchmal kommt sie einem so vor, aber die Männer
hier im Haus – auch Darius, bei dem sie manchmal schon sauer
wird, wenn er bloß vorbeikommt –, sie behandelt uns wie ihre
Kinder. Das ist wie mit der Frau und dem Schuh in dem
Kindergedicht. Sie füttert sie und gängelt sie, weil sie so glücklich mit ihnen ist.«
Miss Giselle und glücklich? Sie machte nicht gerade den
Eindruck. Sie verhielt sich, als wär Mister JayMac zum
Arbeitsamt gegangen und hätte ein Dutzend hungrige Leute bei
sich aufgenommen.
»Sie hat nie ein Kind im Bauch gehabt«, sagte Kizzy. »Kein
Kind haben, kein Kind bekommen, das hat sie bitter gemacht.
Wie wenn du jeden Tag eine Ohrfeige bekommst. Kein
Wunder, wie glücklich sie ist über ein Haus voll
Baseballspieler.«
Während Kizzy redete, halbierte ich Orangen und ›schraubte‹
sie gründlich auf den geriffelten Clownhut der gläsernen
Saftpresse.
»Wenn Miss Giselle euch mit Blick durchbohrt und mit
Schnabel schnappt wie Sumpfschildkröte«, sagte Kizzy, »dann
hat sie nicht Wut auf euch. Es sind die Umstände, alles eben.
Und daß Mister JayMac nicht, wie er sollte, vor Liebe strotzt, macht Sache auch nicht besser. Auch nicht, wenn er ab und
zu…«
Die äußere Verandatür knallte, und Kizzy verstummte so jäh
wie das Hackmesser eines Fleischers, wenn die Finger in
Gefahr sind. Besser so. Miss Giselle fegte herein, das Gesicht zurechtgemacht, das Haar auch. Gut sah sie aus, daran konnten
auch Krähenfüßchen, ein ramponiertes Baumwollkleid und
abgetragene Arbeitsschuhe nichts ändern.
»Kizzy, hast du irgendwelche Leute in Detroit?«
»Morgen, Ma’am«, sagte Kizzy. »Wie geht es Ihnen heute?«
»Du hattest Verwandte, die früher mal nach Norden gezogen
sind. Wo haben sie sich niedergelassen, Kizzy? In Detroit?«
»Chicago, Ma’am. Und in Philadelphia.«
»Die Farbigen in Detroit sind völlig übergeschnappt. Das
Radio spricht von Chaos. Ein Aufstand. Häuser und Autos
brennen.«
»Verzeihung, Ma’am, aber da gibt es keine Lorrows, die so
was
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