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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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war einverstanden. Und, na ja, wir marschierten los.
    Auf dem Gemüsemarkt riefen sie Sachen wie: »So fängt man
    ∗
    Mudcats , Jumbo!« und »Jag ihn in die Wolken gegen die
    lausigen Gendarmes!«
    Ein Mann in einem Verkaufsstand bat Jumbo, mit dem
    Fettstift eine der Wassermelonen zu signieren. Ich sollte mein Autogramm auf einen dicken gelben Kürbis setzen, aber
    vorher hatte Jumbo ihm meinen Schlagschnitt verraten und
    mich als künftigen Großligaspieler gehandelt.
    Drei farbige Jungen (einer entpuppte sich als Euclid) blieben
    uns bis zum Rand des Alligator-Parks auf den Fersen – in den
    Neger offenbar nicht hineindurften, außer sie benutzten eine
    Heckenschere oder schoben einen Kinderwagen mit einem
    rosa Balg darin.
    Die Bibliothek war ein rotes Backsteingebäude unweit der
    Kirche, die Mister JayMac, Miss Giselle und ein paar
    Hellbender von Zeit zu Zeit besuchten. Tatsächlich handelte es sich nur um eine Zweigstelle der Highbridge-Bibliothek mit
    einem bauchigen weißen Portikus und Fenstern mit
    Rosenspalier oder wohlgestutztem Schneeball dazwischen. In
    Tenkiller hätte so eine ›Zweigstelle‹ alle verfügbaren Bücher
    der Stadt enthalten – womöglich des ganzen Bezirks – und
    noch Platz gehabt für eine LaSalle-Ausstellung.*
    Ich staunte auch über Mrs. Hocking. Sie hatte keine blaue
    Haarspülung, schielte nicht und trug auch keine schwarzen
    Spangenschuhe mit Blockabsatz. Sie hatte ein hübsches
    Gesicht, war ein bißchen pummelig, hatte Flughörnchenlappen
    an den Oberarmen und ein Lächeln, das mir
    Phantomschmerzen in den Mundwinkeln machte. Ich schätzte

    ∗ mudcat = Katzenwels

    sie knapp über Fünfzig. Sie begrüßte Jumbo, als sei er ein vom Blitzschlag getroffener und wieder zum Leben erweckter lieber
    Bekannter – ich fand, die Freude war übertrieben.
    »Es tut so gut, Sie wieder zu sehen, Mr. Clerval! Einer von
    den Titeln, die ich vormerken sollte, ist gerade eingetroffen!
    Da brauche ich Ihnen ja jetzt keine Postkarte mehr zu
    schicken!«
    Dafür, daß er auf so gutem Fuße mit Mrs. Hocking stand, sah
    Jumbo reichlich verdutzt drein. Er packte seine Bücher auf die Ausleihe und hielt den Mund, eine glatte Zurückweisung ihres
    Getues.
    Mrs. Hockings junge Gehilfin am anderen Ende des Tresens
    stierte zu uns herüber, als wären wir zwei ausgebrochene
    Sträflinge.
    »Aber Sie haben die Bücher ja noch nicht mal verlängert!«
    Mrs. Hocking fingerte die Kartei durch. »Sie könnten sie noch behalten.«
    »Ja, Ma’am«, sagte Jumbo. »Aber wozu?«
    »Nun, damit Sie sich Zeit nehmen können, um sie alle zu lesen.«
    »Ich habe sie alle gelesen.«
    »Oh. Dann sind Sie aber ein ungemein schneller Leser. Sie
    müssen eine formidable Auffassungsgabe besitzen.«
    »Welcher von den Titeln ist denn eingetroffen?«
    »Nun… äh… dieser hier, Mr. Clerval.« Mrs. Hocking fischte
    ein schmales Bändchen aus dem Sortierwagen. »Das Büchlein
    ist zur Zeit ständig unterwegs. Mr. Salmon, der letzte Leser,
    hat es vor zwei Tagen ausgeliehen und brachte es heute
    morgen schon zurück. Vielleicht sollten Sie sich mit ihm
    unterhalten. Sie haben viel gemeinsam, einschließlich…«
    »Bitte, Mrs. Hocking, legen Sie es hier für mich zurück. Ich
    halte erst noch nach anderen Titeln Ausschau.«

    »Aber natürlich. Gerne. Lassen Sie mich wissen, wenn
    Margaret oder ich Ihnen behilflich sein können.«
    »Mein Freund Danny hätte gerne seine eigene Leihkarte.«
    »In Ordnung. Wohnt er in Highbridge oder im Hothlepoya
    County?«
    »Er ist auch ein Hellbender«, sagte Jumbo. »Bis September
    wohnt er ganz bestimmt noch hier.«
    »Dann wohnt er nicht für immer hier?«
    »Seine Anschrift ist dieselbe wie meine: McKissic House,
    Angus Road. Und das für die nächsten zweieinhalb Monate.«
    »Ja, aber es ist schon vorgekommen, daß…«
    »Wie lange muß man denn hier wohnen, damit man zur
    Ausleihe berechtigt ist?« Jumbos Stimme dröhnte durch die
    Bibliothek. Die Leute zwischen den Regalen drehten die
    Köpfe. Ein Knirps klammerte sich an den Rockzipfel seiner
    Mama.
    »Wir werden eben eine zeitlich begrenzte Karte ausstellen«,
    sagte Mrs. Hocking unbekümmert. »Wenn Margaret Sie, Mr.
    Clerval, als die eine residente Referenz anführt, wen könnten
    wir dann als zweite angeben?«
    »Mr. Jordan McKissic.«
    »Natürlich. Sehr gut. Hier, Margaret. Helfen Sie dem jungen
    Mann, den Antrag auszufüllen. Fangen Sie mit dem Namen an
    und…«
    »Er heißt Daniel Boles«, sagte Jumbo, der sich

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