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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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uns nicht eingelassen. Zu wenig Punkte, sagte man uns.«
    Die vier Männer lachten. »Diese verfluchten Melronianer werden noch
an ihrem Dünkel zugrunde gehen. Kommt, laßt uns auf den König trinken!«
    Â»Auf den König!« sangen die drei anderen im Chor.
    Sie gesellten sich zu ihnen. Eljazokads Sprachkenntnisse waren noch
sehr unzureichend, aber dennoch konnte er in Erfahrung bringen, daß sie hier
nicht weit von der Grenze zu Bazuzary waren, daß diese vier Männer aus dem
»großen Krieg der Schreihälse« geflüchtet waren, daß der König, auf den sie
ihren Pilzschnaps tranken, nicht Melron VII . von
Melronia, sondern der »große tote König von Benitdouleur« war, und daß der
»verfluchte rote Schnee« die Angewohnheit hatte, von Zeit zu Zeit »über die Grenze
zu langen« und sich »einzuverleiben, was immer ihm in die gierigen Klauen
fiel«. Deshalb waren sie hier untergeschlüpft: vor einem Schneesturm in der
Wüste.
    Â»Wo sind die eigentlichen Bewohner dieses Ortes?« erkundigte sich
Eljazokad.
    Die vier zuckten die Achseln. Ihre Lederkleidung knarrte.
»Eingezogen in den Krieg vermutlich. Wie alles, das lebt und nicht schnell
genug rennen kann, nördlich vom roten Wolkenschloß.«
    Zwischen ihnen kreisten starker Schnaps und ein würziges Pfeifchen.
Bestar langte bei beidem ordentlich zu, Eljazokad probierte höflich, Tjarka
ließ beides nicht an sich heran. Die vier Männer mit ihren wie gegerbt
wirkenden, narbigen Gesichtern lachten und scherzten in einem Dialekt, den
Eljazokad nur bruchstückhaft verstehen konnte. Aber immer wieder war von einem
Pferd die Rede, einem Pferd, das in Flammen stand.
    Draußen heulte der Wind und begann, aus der Höhlenstadt eine Art
Orgel zu machen. Jede Höhle erzeugte ein anderes dumpfes Klagen und Seufzen,
wenn der Sturm sich in ihr fing und wütete. Die Männer sagten, daß der Schnee
jetzt bald »blute«, und begannen damit, den Ausgang mit übereinandergetürmtem
Mobiliar zu verstellen und mit Decken und Fellen so gut es ging abzudichten.
    Der Raum besaß einen Rauchabzug, also konnten sie in einer Mulde
darunter ein Feuer entfachen, sich warm halten und sich gegenseitig im Auge
behalten. Eljazokad konnte seinen Argwohn nicht ablegen; möglicherweise fielen
die Gegner diesmal nicht von Anfang an mit ihren Waffen über sie her, sondern
schlichen sich erst ins Vertrauen. Niemandem von ihnen kamen die vier bekannt
vor, aber Eljazokad hatte seinen nächtlichen Gedanken nicht vergessen, daß die
Martelaskette ihre Gegner jetzt womöglich aus der Zukunft rekrutierte.
    Stunden vergingen. Ab und zu spähte einer nach draußen, dann fiel
jedesmal ein roter Schein in die Kammer wie von einem Fairaier Buntglasfenster.
    Die vier Ledernen sangen gemeinsam ein Lied.
    Â 
    Benitdouleur, Benitdouleur
    cruel desir de notr’ coeurs
    Nigauderie, nitouche, lascif,
    encapuchonne déclin naif.
    Â 
    Die Melodie war traurig, Eljazokad konnte ihr entnehmen,
daß es um eine Heimat ging, geliebt und gehaßt gleichzeitig, die nun für immer
verloren war.
    Irgendwann ging er auch selbst einmal an die Außenöffnung, nestelte
ein Leder beiseite und starrte auf eine rotfarbene Raserei. Schneeflocken, die
schier zu kreischen schienen vor Geschwindigkeit. Wüstenschnee. Alles Licht war
dunkler Wein.
    Sie teilten sich ihre Pilzvorräte – es gab frische violette Pilze,
abgehangene violette Pilze, getrocknete violette Pilze, geräucherte violette
Pilze und sogar violettes Pilzgehacktes – und schliefen. »Bis zu drei Tage kann
so ein Sturm dauern«, knurrte einer der Männer. »Wir sollten uns nicht
gegenseitig durch hastige Bewegungen und unbedachte Äußerungen reizen.«
    Also schwiegen sie viel und bewegten sich kaum. Tjarka fühlte sich
unwohl, eingepfercht mit sechs Männern. Ab und zu kratzte einer der vier
Kriegsflüchtlinge sich das speckige, scharf nach Schweiß riechende Leder,
machte einen derben Scherz und linste dabei in ihre Richtung, aber da sie die
Sprache nicht verstand, blieb ihr vieles verborgen.
    Die Atemluft wurde stickig und rauchbeschwert. Bestar begann zu
husten und klang dabei beinahe wie Rodraeg. Eljazokads Augen juckten und
tränten.
    Irgendwann – es mochte noch rote Nacht sein oder schon ein roter
Morgen – kam plötzlich Bewegung in alle. Etwas war von oben durch

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