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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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den Füßen packen konnte. Sie machte also einen Umweg, bog schliddernd um
Ecken, riß in einem Musikzimmer mehrere Kerzen aus einem Leuchter und schlug
dann wieder die Richtung ein, in der die Kapelle lag. Schon beim Erreichen der
Kapelle, in der ein betagtes Melronianerpärchen zu seinen Göttern betete,
schleuderte Tjarka alle Kerzen nach vorne, so daß das kleine blaue
Schmuckfenster in Splittern nach draußen platzte, flankte über zwei Bänke und
schlüpfte mit einem Aufwärtssprung so gut wie hindurch.
    Die Höhe war ein Schock. Elftes Stockwerk. Beinahe dreißig Schritte
abwärts bis zum gepflasterten Hof.
    Sie hörte, wie der Krieger hinter ihr Kapellenbänke umwarf und wie
die Betenden in Todesangst schrien. Sie fand mit den Händen Halt an einer
Verzierung und zog sich nach oben durch das Fenster. Rasch kletterte sie
aufwärts – da dies die Hofseite war, gab es Reliefs, Einkerbungen, Nischen und
sogar wasserspeiende Statuetten in Hülle und Fülle. Der Schwertarm des Kriegers
stocherte mit der verlängernden Klinge von unten nach ihren Fersen, gerade noch
rechtzeitig konnte sie sie hochziehen.
    Da hing sie nun in erschreckender Höhe. Sie hatte den Außenwänden
der Schloßgebäude nie Aufmerksamkeit geschenkt und befand sich deshalb nun auf
völlig unbekanntem Terrain, aber nicht umsonst war sie ein Waldkind und das
Klettern in komplizierten Bäumen gewöhnt. Sie verschaffte sich einen Überblick
und wählte sich einen möglichst gangbaren Weg.
    Unter ihr rummste es. Der Krieger schien sich von ihrem Trick mit
dem Durchschlupf nicht allzulange aufhalten lassen zu wollen: Er benutzte eine
Kapellenbank als Rammbock und stieß mit roher Gewalt die Fensterrahmung ein,
bis das Loch groß genug für ihn zum Durchschlüpfen war. Tjarka war inzwischen
schon am zwölften Stock vorübergeklettert.
    Von unten riefen Menschen zu ihr hoch. Spitze, vogelartige Schreie.
Tjarka wollte nicht nach unten schauen, aber sie mußte es tun, denn der Krieger
holte unerbittlich auf und konnte ihr mit seinem langen Schwertarm gefährlich
werden. Als sie an einem hohen Fenster in den dreizehnten Stock
vorüberkraxelte, sah sie etwas, das sie ihren Plan ändern ließ.
    Endlich war auch der Schmuckdolch einmal zu etwas nützlich. Mit ihm
zertrümmerte sie das Fenster und wand sich an den Splittern vorbei hindurch ins
sicherere Innen. Der gebohnert glänzende Tanzsaal dahinter war menschenleer.
Gleich unter dem Fenster jedoch stand eine Holztruhe. Ächzend und stöhnend nahm
Tjarka all ihre Kraft zusammen und wuchtete das schwere patinierte Ding auf das
Fensterbrett. Nur einen Schritt unter der Fensterkante hörte sie bereits das
Schwert des Verfolgers am Mauerwerk schaben. Dann schaute sie hinaus, ob der
Krieger auch genau unter dem Fenster hochkam, und kantete die Truhe über das
Fensterbrett nach außen.
    Der Krieger wurde völlig überrascht. Er hatte gerade nicht nach oben
geschaut, sondern nach schräg rechts, zum nächsten guten Halt. Aber auch wenn
er die Truhe rechtzeitig erblickt hätte, wäre ihm wohl nichts Sinnvolles zu tun
übriggeblieben. Das schwere hölzerne, wahrscheinlich mit Tanzschuhen gefüllte
Möbelstück schlug ihm auf Kopf und Schultern. Für einen Augenblick sah es so
aus, als könne er dem Bewurf standhalten, denn die Truhe rollte über seinen
Rücken hinweg nach unten, aber dann zerbarst das überlastete Ornament, auf dem
der Krieger stand. Er folgte der Truhe abwärts und überholte sie. Mit grimmigem
Gesicht ließ er Tjarka dabei nicht aus den Augen und rasselte sogar noch mit
seinen Fingern durch Fugen, als er hart auf einen Regenwasserspeier aufschlug
und von dort aus schlenkernd und sich immer wieder überschlagend die letzten
zwanzig Schritte stürzte, bis das Hofplaster ihn umregnet von Statuensplittern
zum Stillstand brachte. Dann schlug noch die Truhe neben ihm auf und erbrach
ihren Inhalt – tatsächlich funkelnde, glitzernde Schnürschuhe – über das
Gestein.
    Ihre Tage in Melronia waren gezählt.
    Eljazokad und Bestar wurden gesucht, verständigt und herbeigeholt.
Bestar konnte den Leichnam des Kriegers identifizieren: Es war Cruath Airoc
Arevaun.
    Große Aufregung herrschte im Schloß. Auch Maitr’ Calmant, der
gewichtigste Fürsprecher der drei Gäste, mußte sich vor dem König verantworten.
Der Sachschaden an

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