Brücke der brennenden Blumen
Abschied,
das erschien ihnen als peinlich. Aber sie gaben sich die Hände. Der Alte
drückte Eljazokads Hand erstaunlich fest, dann ging er winkend von der Brücke
und war schon nach wenigen Schritten vor Rauch, Nebel und sprühender Gischt
nicht mehr zu sehen.
Eljazokad wandte sich um, querte die gesamte Brücke und betrat das
Land der vollständig Gestorbenen.
Im Gegensatz zu vielen anderen, die mehr oder weniger verwirrt,
erschüttert und ängstlich hier ankommen mochten, hatte er immerhin ein paar
Anhaltspunkte, wohin er sich wenden konnte.
Zum Tor von Bauscheld.
Ãber die Ebene der Geräderten.
Ueschdreff. Destrisch. Und Akiään muÃte weit im Westen liegen.
11
Martelas Eins
Hinter der Brücke begann eine scharfkantige, farblose
Landschaft.
Flunderhunde strichen umher, und in der grauen Luft kreisten
seltsame Vögel, die wie Sperber aussahen, aber ein dichtes, buschiges Fell
hatten. Die Landschaft erstreckte sich flach, so weit das Auge reichte. So
hatte Eljazokad sich immer das Land hinter der Felsenwüste vorgestellt, das
Land der Affenmenschen, aber er wuÃte nicht, ob es dort wirklich so aussah.
Er fand menschliche Skelette, Hunderte, auch Kinder, weit verstreut
über der Ebene, und war verwundert. Gab es Tote, die hier starben, verhungerten
oder verdursteten, weil sie hinter der Brücke keine Kraft mehr hatten? Er
selbst war unverletzt, von Siusans Verbrechen war nichts mehr zu spüren. Im
Gegensatz zu ihm und Rodraeg waren die Skelette bekleidet, also borgte
Eljazokad sich eine alte, viel zu weite Hose, die er mit einer Schnur um sich
band, und ein fleckiges Hemd. Bei einem der Toten fand sich sogar Pergament und
drei Kohlestifte. Waffen, sonstige Ausrüstung oder Münzen, die etwas über die
Herkunft der Toten hätten verraten können, waren nirgends zu entdecken. Als
wären sie geplündert worden.
Seine Fragen lieÃen ihn nicht los, und nach mehreren Stunden der staubigen
Wanderung muÃte er sich setzen, um sie mit einem Kohlestift auf ein Pergament
zu schreiben.
Aus Eljazokads Tagebuch:
Mein erster Tag in der Fremde
Ich glaube, daà ich nicht tot bin.
Siusan hat zwar mein Bein zerstört, aber daran stirbt man nicht gleich. Dies
ist also nicht das Land der Toten, sondern womöglich genau das, was Siusan
behauptet hat: eine andere Welt, geöffnet und betreten unter Siusans
fachkundiger Hand über die Grenze des Schmerzes. Rodraeg wäre also gar nicht
gestorben, wenn er hierhin weitergewandert wäre. Er wäre nur genauso
verlorengegangen wie ich. Die Skelette sind keine nackten
Eindringlinge wie Rodraeg und ich, sie stammten von hier. Aber woran sind diese
vielen Menschen gestorben? Versuchten sie, über die brennende Brücke zu uns auf
den Kontinent zu gelangen, und vermochten es nicht? Wie ist das alles möglich?
Wie viele Einheimische leben hier noch?
Gibt es andere, die wie ich aus dem
Kontinent kamen und blieben?
Werde ich Götter sehen, mit meinen eigenen
Augen?
Oder werde ich als eines dieser Skelette
enden, zu Tode gerungen von Weite und Einsamkeit?
Am liebsten würde ich mit schönen Worten ein
Heer der Knochen um mich scharen und es zurückführen über die Brücke, um Siusan
und Tellures zu überrennen mit einer Ãbermacht, die ihnen keine Luft zum
Schreien läÃt.
Er ging in keine bestimmte Richtung, denn die Sonne war
nicht zu sehen, alles war in Dunst getaucht. Die Flunderhunde wichen winselnd
aus, wenn er sich näherte. Sie waren Aasfresser mit flachen, verschlagenen
Gesichtern.
Nach etlichen Stunden stellte Eljazokad fest, daà das Licht sich
nicht änderte. Es wurde nicht Abend oder Morgen, es blieb zwielichtig, trocken
und warm. Er muÃte seine eigenen MaÃstäbe finden. Also rastete er etwa alle
zwei Stunden, und nachdem er siebenmal gerastet hatte, und es so weit das Auge
reichte keine Toten mehr gab, legte er sich hin und schlief.
Als er erwachte, stand neben ihm der Spiegelritter.
Zuerst verwechselte Eljazokad ihn mit der Ritterin aus den
Kjeerklippen, aber das war sie nicht. Der behelmte Ritter und auch sein
gewaltiges Kaltblüterpferd spiegelten die Gegend und Eljazokad wider, fingen
das Zwielicht und warfen es als matte, aber nichtsdestotrotz aggressive
Blendung zurück. Es war verwirrend und unerträglich, ihn zu betrachten. Er
hielt die Spitze einer langen Turnierlanze gegen Eljazokads Brust.
»Es gibt vier Wege zum ewigwährenden
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