Brücke der brennenden Blumen
Frieden«, sagte der Ritter mit
einer Stimme, die wie ferner Donner klang. »Die Weiden der Pein, die Wälder der
Qual, das schreiende Meer und die Nagelwüste. Welchen willst du wählen?«
»Einen, der ein wenig ⦠gemütlicher klingt?« Eljazokad lächelte
schüchtern.
»Einen derartigen gibt es nicht. Wenn du nicht dulden kannst, wirst
du enden wie jene.« Er deutete in die Richtung, aus der Eljazokad gekommen war.
Wo die vielen Toten schliefen. Zappelige Käfer suchten sich vor dem
Spiegelritter im Sand zu verbergen.
»Ich will ⦠zum Tor von Bauscheld«, entschied Eljazokad. Das Tor von
Bauscheld war Siusans Ziel gewesen. Vielleicht würde er ihn dort wiederfinden.
»Zum Tor von Bauscheld? Einige sagen, es ist nur ein Traum. Andere
behaupten, es gesehen zu haben. Aber du wirst nicht dorthin gelangen können
ohne die Kraft der Martelaskette. Löse das erste Glied der Martelaskette aus,
und ich werde dir eine Gribaille zuführen.«
»Vielleicht wäre unser Gespräch fruchtbarer, wenn nicht jedes zweite
deiner Worte ein völliges Rätsel für mich wäre.« Eljazokad lächelte immer noch.
Er hatte keine Angst vor dem Ritter. Er war sich nicht einmal sicher, ob es ihn
wirklich gab.
»Erinnere meine Worte.« Der Ritter nahm die Lanzenspitze von
Eljazokads Brust. Es war nicht zu erkennen, in welche Richtung sein Gesicht
blickte. »Wenn du genug hast von deinem Weg des Umherirrens, und wenn du nicht
mehr weiter kannst noch willst, dann sprich die Worte âºMartelas Einsâ¹. Dann werden deine Feinde erscheinen. Bezwinge
sie, und ich werde dir eine Gribaille zuführen.« Herrisch rià der Ritter am
Zügel und sprengte staubend davon. Schon nach hundert Schritten war von ihm
nichts mehr zu erkennen auÃer einem Sandwirbel, der sich stetig entfernte.
»Meine Feinde?« fragte Eljazokad in die Einsamkeit hinein. »Siusan
und Tellures? Das klingt gut, hinter denen bin ich ja her. Aber wie soll ich
sie bezwingen, ohne Waffen?« Ihm fiel auf, daà er Selbstgespräche führte. Er
stand auf. Der Himmel war von einem matten Violett. Um sich her sah er in allen
Richtungen nur eine Ebene aus dunklem Sand, mit vereinzelten Schieferplatten
und Dünen darin. Nirgendwo gab es Wasser oder Pflanzen. Schon jetzt machte sich
sein Durst unangenehm bemerkbar. Seine Kleidung, in der Menschen verwest waren,
widerte ihn an, aber in der deutlich kühleren Nacht war er dankbar gewesen für
seinen Impuls, nicht nackt und völlig schutzlos umherzuwandern.
Ein damit zusammenhängender Gedanke flackerte in ihm auf: Vielleicht
waren er und Rodraeg nackt in diese Welt gekommen, weil sie beim Ãbergang nackt
gewesen waren, Rodraeg von seinem Krankenlager, Eljazokad auf Siusans
Foltertisch. Vielleicht waren die Toten also doch vom Kontinent gekommen, mitsamt
ihrer Kleidung, und hier verendet. Schon wollte er sein gestriges Pergament
zusammenknüllen und wegwerfen, aber dann entschied er sich doch dafür, statt
dessen einen entsprechenden Nachtrag zu machen. Er wollte besser alles
aufzeichnen. Leider standen ihm nicht mehr als fünf gefalzte Blatt Pergament
zur Verfügung.
Er wanderte weiter. Zwei Stunden, dann noch zwei.
Sein Kopf quälte ihn, zermürbte sich selbst mit Fragen. Wer hatte
die Toten geplündert? Weshalb trieben sich dort immer noch Aasfresser herum, wenn
es doch schon längst nichts mehr zu fressen gab? Weil regelmäÃig Nachschub kam?
Ich muà aufhören zu denken , notierte
Eljazokad auf sein Pergament.
Noch bevor er müde genug war für eine zweite Nachtruhe,
hielt er den Durst nicht mehr aus. Was immer eine Gribaille sein
mochte, die der spiegelnde Ritter ihm zuführen wollte
â es war besser als das elende Verrecken. Und vielleicht handelte es sich bei
einer Gribaille ja sogar um einen Kelch mit herrlich kühlem, frischen Wasser.
Eljazokad sammelte ein paar handliche Steine als Bewaffnung und
schrie die Worte »Martelas Eins!« in die Wüste hinaus. Beinahe muÃte er lachen,
so absurd kam ihm das vor.
Aber es dauerte nicht lange, bis aus dem Horizont zwei zitternde,
trügerische Schemen wuchsen, die langsam, zu FuÃ, näher kamen. Für ein paar
irrsinnige Augenblicke der Hoffnung glaubte Eljazokad, Bestar und Tjarka
erkennen zu können, doch sie waren es nicht. Der spiegelnde Ritter hatte von Gegnern gesprochen.
Es waren zwei Verstorbene: Glauber
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