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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Toten. Die frischesten waren am interessantesten, denn
vielleicht hatte man Glück, und sie waren noch von keinem anderen Plünderer
gefunden worden.
    Die Leichen hatten nicht viel bei sich. Eine lederne Feldflasche für
Eljazokad war jedoch dabei, außerdem noch ein paar schön bestickte
Taschentücher und ein paar Augengläser.
    Eljazokads Befürchtungen gingen in Erfüllung, als sie den ersten
Lebenden entdeckten. Zuerst hörten sie nur seine röhrenden Schreie, dann
näherten sie sich langsam und fanden schließlich einen Mann, der mit
gebrochenen Armen und Beinen auf das Rad geflochten war, dem nebligen Himmel
entgegengereckt wie ein brüllender Blütenkelch. Leifreg enterte am glitschigen
Mast auf, bestahl den Sterbenden um ein paar Münzen, ein Kurzschwert und eine
Zweitonflöte und kletterte wieder herab.
    Â»Kannst du ihn nicht töten?« flehte Eljazokad.
    Â»Nein. Könnt Ihr es?«
    Von diesem Moment an haßte Eljazokad den Gribaillenreiter, mehr aber
noch sich selbst und diese Welt. Zehn Sandstriche später war nur noch der
inzwischen vertraute Haß auf Siusan übriggeblieben. Die Welt war so, wie die
Götter sie geschaffen hatten, und Leifreg versuchte lediglich, in ihr klarzukommen.
Schließlich hatte nicht er den Mann gerädert.
    Â»Du hast gesagt, ich sei einer von den Göttern. Was hast du damit
gemeint?« fragte Eljazokad nach einer Weile. Leifreg turnte schon wieder auf
einem Rad herum, auf dem er etwas glitzern gesehen hatte, und förderte ein paar
Scherendrachenschuppen zutage.
    Â»Die, die aus der Wüste kommen und nicht wissen, wo sie sind. Die
alle dieselben staunenden Gesichter machen, wenn sie die Dreifarbenländer
sehen, genau wie Ihr. Die meisten von ihnen verrecken spätestens in der
Rißwüste kläglich. Aber die, die durchkommen, haben große Macht. Sie können
sich Wünsche wahr werden lassen. Einer hat sich ein rotes Schloß erbaut, das
bis durch die Wolken reicht. Melronia.«
    Melronia . Dieses Wort kam Eljazokad
seltsam bekannt vor, aber er konnte es nicht zuordnen.
    Â»Wo liegt dieses Melronia?«
    Â»Von Destrisch aus kann man es sehen, obwohl man selbst mit der
alten Mied noch fast einen halben Tag braucht, um dorthin zu kommen.«
    Â»Warst du schon dort?«
    Â»Ich bin dort vorbeigeflogen. Aber es sind mir zu viele Menschen
dort. Ich mag die Städte und Burgen nicht. Sie haben alle ihre Armeen, Räder
und Pfähle.«
    Â»Sag mal – die vielen Toten, die ich in der Wüste gesehen habe.
Kinder waren auch dabei. Waren das alles … Götter?«
    Â»Nein. Die waren von hier. Überwiegend Dreifarbenländler, aber auch
einige aus Destrisch und Uesch. Sie wollten flüchten, die Insel erreichen.
Konnten aber wohl nicht über die Brücke gelangen. Man kann nur von der Insel
aus über die Brücke kommen. Also sind sie verschmachtet.«
    Â»Die Insel?«
    Â»Wo Ihr hergekommen seid. Ein Land, umgeben von Wasser? Mehr weiß
man nicht darüber. Aber es soll dort keine Götter und keine Kriege geben, das
klingt schon ziemlich gut.«
    Eljazokad machte sich Notizen auf sein Pergament. Seine Schrift erschien
ihm kindlich und krakelig. »Und dieses Land hier? Ist es denn nicht auch von
Wasser umgeben?«
    Â»Keine Ahnung. Es erstreckt sich in alle Richtungen, so weit eine
Gribaille fliegen kann, und jeder Gott kann es noch größer machen. Aber jeder
Gott bringt auch seinen eigenen Krieg mit.«
    Â»Aber es muß ein Meer hier geben. Das schreiende
Meer .«
    Â»Schon möglich. Und dahinter weitere Länder. Und immer so weiter.
Wenn es ein Ende gäbe, weshalb sollten die Götter hierherkommen wollen?«
    Â»Gibt es Karten? Karten von deiner Welt?«
    Â»In Destrisch wahrscheinlich. In Destrisch sind alle so wie Ihr.«
    Â»Sie sind alle aus der Wüste gekommen?«
    Â»Nein. Sie kritzeln den ganzen Tag auf Pergamenten herum.«
    Nach zwei Stunden hatte Leifreg genug vom Räderwald, vom Klappern
der durch vertrocknete Sehnen gerade noch zusammengehaltenen Knochen, den
entfernten Schmerzensschreien, die wie ein Krähenschwarm über der Landschaft
schwebten, dem schwülen Geruch aus Furcht und Vergänglichkeit. Eljazokad hatte
keine andere Wahl; wenn er nach Destrisch wollte, mußte er den Wald in voller
Länge durchqueren. Doch zuerst kehrte er mit Leifreg zur alten Mied zurück, um
sich aus dem in der Nähe

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