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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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übermütige Schreie auszustoßen wie ein Adler oder ein Treibjäger. Das
Fliegen war berauschend, leider aber auch sehr kalt.
    Das Gras wich einem dichtwachsenden Kraut, das durchscheinend aussah
wie Fairaier Glas. Hier konnte Eljazokad ganz besonders seltsame Tiere
ausmachen: dicke, von oben fast wie Käfer wirkende Kolosse mit einem Horn auf
der Nase. Einhörner, aber nicht zart und pferdeähnlich, sondern bullig,
wehrhaft und gepanzert.
    Eine Bergkette kam in Sicht, und wieder fragte Eljazokad sich, ob
das die Felsenwüste war und das Land unter ihm das unkartographierte
Affenmenschenland. Wenn das stimmte, mußte hinter den Bergen die fruchtbare
Ebene von Hessely, Ferbst und Uderun liegen. Die Berge kamen näher. Sie waren
nicht hoch genug, um ewigen Schnee zu tragen, aber sie schienen scharfkantig
und steil zu sein wie geschliffene Messer. Nirgendwo war ein Paß zu sehen,
nirgends eine Lücke in der steinernen Wehr. Wie hätte ich
hier jemals hinüberkommen sollen, ohne zu fliegen? fragte sich
Eljazokad. Der Reiter zog seine Gribaille wieder so, daß die Flügel senkrecht
standen, und sie rasten mit irrsinniger Geschwindigkeit zwischen zwei tropfsteinsteilen
Bergspitzen hindurch. Eljazokad schrie nun tatsächlich, vor Panik und
Begeisterung. Der Wind ihres Durchflugs riß Steine von den Bergen, die als
langsame Lawinen abwärts regneten.
    Der Anblick, der sich nun dahinter bot, war noch verrückter. Von der
grünen, im Herbst allenfalls strohgelben Provinz Hessely war weit und breit
nichts zu sehen. Statt dessen bestand die Landschaft unter ihnen aus drei
Farben. Die Hügel leuchteten selbst ohne klares Sonnenlicht hellblau, weil
dicht überwuchert mit einem Kraut oder Gras, das diese Farbe hatte. Die Bäume,
die auf dieser Himmelsfarbe wuchsen, glänzten in hellstem Zitronengelb, sowohl
die Kronen als auch die Stämme und Äste. Dazwischen schlängelten sich
Flußläufe, deren Wasser hellrot war wie das Blut in einem effektheischenden
Theaterstück. Eljazokad fürchtete, den Verstand verloren zu haben. Dermaßen
intensive Farben hatte er in freier Natur überhaupt noch nie gesehen, alles sah
wie angemalt und künstlich aus.
    Ãœber eine Stunde rasten sie über diese dreifarbige Landschaft dahin,
die von Vögeln, großen Schmetterlingen und Waidwild nur so wimmelte. Die roten
Flüsse durchzogen das Blau wie Adern, die Bäume ballten sich zu Wäldchen
zusammen wie zu den gelben Sonnen, die Kinder malen, wenn sie Fingerfarben bekommen.
Eljazokad tränten die Augen vom Flugwind. Seine Hände begannen ihm abzufrieren,
er mußte sie sich eigentlich unter die Achseln klemmen, wagte aber nicht,
seinen Halt aufzugeben. Die ganze Zeit über versuchte er sich auszurechnen,
wieviel Fußmarsch eine Stunde Flug einsparte. Einen Tag? Sogar zwei Tage? Bei
der Bergkette womöglich sogar eine Woche.
    Der Reiter deutete voraus und rief etwas, das zwar ihm galt, das
Eljazokad dennoch nicht verstehen konnte. Ganz hinten am Horizont waren
undeutlich die Umrisse einer Stadt zu erkennen. Der Boden war immer noch
himmelblau überwuchert, die gelben Bäume wuchsen hier jedoch nicht mehr. Statt
dessen keimten erst vereinzelt, dann zu Tausenden graue Pilze auf, die sich
erst beim Niedrigerfliegen als hölzerne Räder auf hölzernen Masten entpuppten.
Die Ebene der Geräderten. Die Libelle setzte zur Landung an, indem ihre Flügel
schneller und schneller schlugen, bis sie in der Luft stehen konnte und
behutsam senkrecht aufsetzte.
    Â»Weiter fliege ich nicht. Manchmal kann man hier Beute machen«,
brummelte der Reiter und schnallte sich von seinem Sattel los, um ächzend sein
steifes Kreuz durchdrücken zu können. Er schien kein junger Mann mehr zu sein,
aber da sein gesamtes Gesicht vermummt war, blieb das sein Geheimnis.
    Eljazokad war, als die Insektenbeine sich zur Landung
auseinanderfalteten, unsanft von seinem Sitz gerutscht und hatte sich nur mit
Müh und Not an den Kerben einer Bauchschuppe festkrallen können. Nun kauerte er
im blauen, leicht nach Kamille riechenden Gras und zitterte am ganzen Leib.
    Â»Dieses rote Wasser«, bibberte er. »Kann man das eigentlich trinken?
Ich habe einen schrecklichen Durst.«
    Â»Das rote Wasser ist das beste weit und breit. Voller pflanzlicher
Wirkstoffe. Da hinten, am Rand des Radwaldes, ist ein ganzer Teich. Bis dahin
nimm einen Schluck von mir. Ich habe genug

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