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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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nach
Melronia.
    Nach dem Aufwachen blicken wir nach
Melronia.
    Selbstverständlich ist mir inzwischen längst
eingefallen, woher ich den Namen Melronia kenne. Ryot Melron war der Name des
Vaters von Naenns Kind. Ist er hier in dieser Welt als sich Wünsche
erfüllender, Himmelsschlösser bauender Gott? Oder handelt es sich um einen
seiner Vorfahren? Ich gedenke es herauszufinden.
    Am Morgen seines sechsten Tages in Destrisch wurde
Eljazokad von papiergekleideten Gardisten verhaftet. Zu viert zerrten sie ihn
vom Dach und gaben ihm nicht einmal Gelegenheit, sich etwas überzuziehen. Sabhe
und die übrigen Gefiederten Frauen protestierten kurz, duckten sich dann jedoch
unter den Peitschen der Gardisten.
    Â»Was wirft man mir denn vor?« rief Eljazokad immer wieder und bäumte
sich auf im Griff der Uniformierten, aber von denen war keine Antwort,
vielleicht sogar nicht einmal Sprache zu erwarten. Man brachte ihn in ein mit
Gesetzestexten beschriftetes Gerichtsgebäude, händigte ihm dort seine Kleidung
und auch seine Pergamente aus und führte ihn dann nach mehrstündiger Wartezeit
vor einen hohen Richtertisch aus fester grauer Pappe.
    Â»Was wirft man mir denn vor?«
    Â»Daß Ihr Euch seit etlichen Tagen in der Stadt aufhaltet, ohne ein
einziges Mal Abgaben entrichtet zu haben.«
    Â»Aber niemand hat mir etwas von Abgaben erzählt! Ich bin erst sechs
Tage hier! Ich bekomme mein Geld am Ende eines Arbeitstages, und niemand hat
mich darauf hingewiesen, daß ich davon etwas zurückzahlen muß!«
    Â»Darüber kann man sich kundig machen in sechs Tagen. Ihr hattet ja
schließlich Zeit für Vergnügungen, also hättet Ihr Euch darum kümmern können,
die Stadt nicht um ihren Anteil zu betrügen.«
    Â»Dann werde ich meinen Anteil eben nachträglich erstatten und nehme
auch eine Bußgebühr in Kauf. Ich will der Stadt Destrisch nicht schaden und
möchte keinen Ärger machen …«
    Â»Der Fall ist damit abgeschlossen. Die Geldmittel des Angeklagten
werden zur Begleichung der Verfahrenskosten einbehalten, der Angeklagte zur
Buße auf dem Rad verurteilt.«
    Â»Auf dem Rad? Aber … aber das ist ein Todesurteil! Seid ihr alle wahnsinnig?«
Eljazokad verstummte. Schlagartig begriff er das ganze System. Es war egal, was
er sich zuschulden kommen ließ. Sie hätten ihn auch verurteilen können wegen
Beischlafs mit einer Vogeljägerin, oder weil er ein paar Fehler übersehen
hatte, oder weil er Melronia betrachtet oder bei Fastenmönchen übernachtet
hatte, ohne selbst einer zu sein. Die Stadt wählte sich ihre Gesetze. Und die
vielen Verhaftungen, deren Zeuge er in den letzten Tagen geworden war, ergaben
plötzlich ein furchtbares Muster. Die Stadt hielt sich sauber. Jeder, der nicht
hier geboren war und nicht vollständig im Einklang mit allen hiesigen Sitten
und Gebräuchen lebte, wurde ergriffen und zum Rad verurteilt. Ein immer wieder
aufgefrischtes Opfer an die Götter, dem Himmel dargebracht zum Fraß, damit
Destrisch vom Krieg verschont blieb und – was in einer Papierstadt noch
schwerer wog – nicht von einem Feuer heimgesucht wurde.
    Eljazokad ergab sich in sein Schicksal. Es war aussichtslos, gegen
das Gericht, sämtliche Gardisten und ganz Destrisch kämpfen zu wollen. Immerhin
wurde er nicht zusätzlich noch mißhandelt. Man gab ihm zu essen, zu trinken und
eine Gelegenheit, sich zu waschen. Seine mühsam zusammenverdienten Testel
wurden ihm alle wieder abgenommen. Seine Kleidung, die Feldflasche, die
Kohlestifte und das Tagebuch wurden ihm ausgehändigt. Auch dies war womöglich
Teil des Himmelsopfers, daß die Verurteilten ihre Habe mit sich nahmen und
somit Beutesuchern wie Leifreg ein Überleben ermöglichten.
    In der Gemeinschaftszelle, die er mit anderen teilte, die sich
fragten, was überhaupt los war, was sie denn falsch gemacht hätten, schrieb er
nur wenige Zeilen in seine Pergamente.
    Aus
Eljazokads Tagebuch :
    Dem Tode entronnen. Zum Tode
verurteilt. Wahrscheinlich bin ich, da ich in Wirklichkeit – außerhalb dieses
scheußlichen Traumes – immer noch an Siusans Foltertisch gefesselt bin, zu
einer endlosen Abfolge von Todesarten verdammt, die ich nur mit Hilfe der
Martelaskette durchbrechen kann.
    Aber was ist die Martelaskette? Ein Ausweg?
Eine Verschlimmerung? Eine Abkürzung? Ein Umweg, der durch sämtliche Täler des
Schreckens

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