Brücke der brennenden Blumen
Schmerzenstischen.
Eljazokad dachte kurz nach, dann sagte er: »Ich denke, wenn unsere
Körper sterben, wird auch dieser Traum vorbei sein. Wenn man im Land der
Gribaillen stirbt, kehrt man wahrscheinlich nur in den Körper zurück und ist
immer noch am Leben. Aber wenn der Körper auf dem Kontinent stirbt, dann hört
die ganze Welt der Gribaillen auf zu existieren. So wie die Welt der Mammuts
auch nicht mehr existiert.«
»Das verstehe ich nicht«, bekannte Bestar.
»Ich auch nicht so richtig. Deshalb mache ich mir dauernd Notizen:
Um vielleicht später mal die Verrücktheiten von den Wahrheiten trennen zu
können. Später mal. Wenn wir wieder in Warchaim sind, und du mit uns, Tjarka.
Du hast bestimmt noch nie einen Salat gegessen, den ein Schmetterlingsmädchen
zubereitet hat.«
»Noch nie«, nickte sie.
»Also, gehen wir los, nach dort.« Eljazokad zeigte knapp an der
beschrifteten Stadt Destrisch vorbei, wo mit Sicherheit auch in diesem Moment
wieder ein Mensch, der sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, abgeurteilt
wurde. Wo aber auch eine junge Frau namens Sabhe lebte, mit der er einige ganz
auÃergewöhnlich schöne Stunden verbracht hatte. Er seufzte. »Ich bin bis jetzt
noch gar nicht dazu gekommen, es laut und deutlich zu äuÃern, aber ich bin
unglaublich froh, daà ihr beide jetzt bei mir seid. Alleine in dieser Welt
fühlte ich mich beinahe andauernd überfordert. Zu dritt habe ich das Gefühl,
daà wir dieses wahnwitzige Land durchqueren können.«
13
Martelas Drei
Sie verlieÃen den Wald der Radgeflochtenen so schnell wie
möglich, um nicht auf weitere Gardisten zu stoÃen. Aus einem blutroten FluÃ
tranken Tjarka und Bestar sich satt. Tjarka behauptete, das Wasser schmecke
ganz leicht nach Fruchtsaft, aber vielleicht lieÃen sich ihre Augen von der
kräftigen Farbe verleiten.
Sein Geld hatte das Destrischer Gericht Eljazokad abgenommen, aber
Bestar und Tjarka waren mit einer willkürlich erscheinenden Zusammenstellung
ihrer kontinentalen Ausrüstung in diese Welt gekommen, so daà ihnen Tauschwaren
zur Verfügung standen. Bestar trug Skergatlu, den Bernstein der Riesen und ein
Seil, während Tjarka ihre insgesamt vierzehn Rinwetaler in ihrer Hose fand, ihr
gesägtes Waldmesser und etwas von dem im Thost noch übriggebliebenen Proviant.
Mit dem Bernstein erzeugte Bestar bei einem StraÃenhändler Augen, die vor Gier
fast irre wirkten, aber Eljazokad entschied, dieses Juwel für echte Notzeiten
aufzuheben. Allein Tjarkas Fremdwährungsmünzen brachten schon einen Gegenwert
von dreihundert Testel, und so brauchten sie sich auf ihrer zehntägigen
Wanderung nach Melronia keine Gedanken über das Verhungern zu machen. Die
Landschaft änderte beim Durchschreiten beinahe täglich die Farben. Das aromatische
Blaugras wich erst einem gelben Kraut, dann einem kirschrot minzigen Moos. Die
gelben Bäume wurden allmählich von dunkelroten abgelöst, dann von blauen. Das
Wasser der Flüsse hellte sich auf zu einem dunklen Orange und wurde schlieÃlich
bläulich wie das Meerwasser im Süden des Kontinents. Stets behielt das Land
drei Farben bei, aber die Farben wechselten einander ab, tauschten die Plätze,
verwirrten die Sehgewohnheiten und räumlichen Beziehungen.
Melronia jedoch war ein Fixpunkt. Melronia war schon seit dem
dritten Tag der Wanderung zu sehen gewesen. Ein kantiger Berg, erbaut von
Menschenhänden. Unerschütterlich kam er näher, mit jedem Schritt gewann er an
GröÃe und Details. Am achten Tag beherrschte er schon alle Blicke, Zehntausende
von Türmen und Zinnen, Erkern, Tragsäulen, Buntglasfenstern, Flaggen, Brücken
und mit roten Ziegeln gedeckten Dächern, die sich übereinander und aufwärts
türmten wie die himmelwärts erstarrte Lawine einer rotgefärbten GroÃstadt. Am
neunten und zehnten Tag füllte Melronia ihr gesamtes Sichtfeld aus, und wenn
man ganz nach oben schaute, wo die Türme die schmutzigen Wolken liebkosten,
wurde einem schwindelig vor diesem Mauerwerkgebirge und man empfand die eigene
Unbedeutsamkeit wie einen Winterhauch.
Die Ebene vor dem WolkenschloÃ, eine zur Dürre zertretene ehemals
rotbegraste Wiese, wimmelte von Menschen. Schon unterwegs waren ihnen viel
Kriegsvolk und fahrende Ritter begegnet, Gyulthen nicht unähnlich, aber weniger
spiegelblank. Tausende von Gepanzerten tummelten sich
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