Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
einer kleinen Hängebrücke ruhte.
»Ihr beide seid nicht gerade unauffällig«, wandte er ein.
»Ich stimme dir zu«, entgegnete Durin mit säuerlicher Miene. »Aber wenn man einen Begleiter hat, der an Gicht leidet und darauf besteht, wie ein Todkranker herumgeschoben zu werden, bieten sich einem nicht viele Möglichkeiten.«
»Wir können nicht rund um die Uhr im Hotel Savoy herumsitzen«, fügte Roosevelt hinzu. »So gut der Zimmerservice auch sein mag. Wir haben den Auftrag, Erkundigungen einzuziehen. Also erfüllen wir ihn auch!«
»Was für Erkundigungen?«, wollte Avi wissen.
Durin holte tief Luft. »Die Reiche rücken enger zusammen, Avi, und zwar aus einer ganzen Reihe verwickelter Gründe. Das Ergebnis jedoch liegt auf der Hand: Jeden Tag sickern mehr Dinge von der einen Welt in die andere. Brücken öffnen sich für wenige Sekunden und verschwinden dann wieder. Es ist völlig unberechenbar. Deshalb hat das Orakel uns damit beauftragt, die Sache im Auge zu behalten, damit es die Übersicht nicht verliert.«
»Das ist doch kinderleicht«, verkündete Avi. »Ihr braucht euch nur die Abendnachrichten anzuschauen.«
Durin und Roosevelt wechselten verdatterte Blicke.
»Darauf sind wir noch gar nicht gekommen«, erwiderte Durin.
»Gerade haben wir eines dieser Ereignisse selbst miterlebt«, fuhr Avi fort. »Richtig? Das Geschöpf vor dem Zoo stammte doch aus dem Feenreich, oder?«
Roosevelt nickte. »Pennapors können ohne Geselligkeit nicht leben. Manche bezeichnen sie sogar als aufdringlich. Dieses hier ist vermutlich über eine Brücke gerutscht.«
»Also heißt das Geschöpf Pennapor?«, fragte Avi.
»Und als das Pennapor hier aufgetaucht ist, hat es die Gesellschaft ähnlicher Tiere gesucht«, erklärte Durin. »Wir haben es durch ganz London bis zum Zoo verfolgt. Wahrscheinlich hat das arme Ding die Vögel im Vogelhaus für Verwandte gehalten.«
»Ihr habt es verfolgt? Wo habt ihr es denn zuerst gesichtet?«
Roosevelt trat Durin mit seinem unversehrten Fuß gegen das Knie. »Es ist nicht klug, dem Jungen zu viel zu verraten.«
»Er hat ein Recht, es zu erfahren«, entgegnete Durin. »Hol den Stadtplan heraus.«
Murrend förderte Roosevelt einen zerfledderten Stadtplan für Touristen aus seinem Kummerbund zutage, breitete ihn auf seinem riesigen Wanst aus wie auf einem Tisch und zeigte mit einem Wurstfinger auf eine Stelle südlich des Flusses.
»Falcon Island«, verkündete er. »Das ist das Epizentrum. Wenigstens glauben wir das.«
Avi betrachtete den angegebenen Punkt. »Auf der Karte steht aber Battersea.«
»Die Welten unterscheiden sich. Oder lebst du jetzt schon so lange im Reich der Sterblichen, dass du das vergessen hast? Im Feenreich ist der Ort, der hier Battersea heißt, eine Insel, die ein kleiner Bach namens Falconbrook vom Südufer des Flusses trennt. Deshalb lautet sein Name im Feenreich Falcon Island.«
»Battersea wurde in den Nachrichten erwähnt«, merkte Avi an. »Warum ist das Pennapor dort aufgetaucht? Was ist an Battersea so besonders?«
Durin holte tief Luft. »Falcon Island ist Kellens neuer Stützpunkt. Er hat die Insel sperren lassen, und sie wird von seinen Goblin-Soldaten streng bewacht. Erinnerst du dich noch an seine Experimente mit dem Elixier aus Elfenflügeln?«
Avi dachte an Brucie, der man wie vielen ihrer Artgenossen die Flügel abgeschnitten hatte, um daraus einen Zaubertrank zu gewinnen. Erschaudernd fiel ihm die Nacht ein, in der Kellen versucht hatte, sein Krankenhausbett anzuzünden und ihn mit sich ins Feenreich zu ziehen. Indem Kellen die Flügel der Elfen zu einem Trank verarbeitete, bemächtigte er sich ihrer Fähigkeit, nach Belieben zwischen den Welten zu pendeln. Avi nickte.
»Nun«, sprach Durin weiter. »Mittlerweile findet die Herstellung im großen Stil statt. Die Elfen werden versklavt. Kellen hat sie einfangen lassen, bis fast keine mehr auf freiem Fuß war. Wir kennen seine Methoden zwar nicht genau, aber es ist ihm jedenfalls gelungen, die Zauberkraft ihrer Flügel in unvorstellbarem Umfang auszubeuten. Mithilfe des Elfenextrakts kann er nun mit jedem beliebigen Begleiter von einem Reich ins andere wechseln. Allerdings muss er es dazu zuerst einnehmen. Jetzt plant er offenbar, eine dauerhafte Brücke einzurichten. Er hat bereits einige Versuchsreihen hinter sich und scheint kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Sobald die Erfindung ausgereift ist, kann er ganze Armeen ins Reich der Sterblichen schicken.«
»Eine schreckliche
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