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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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vergangene Zeit in die Gegenwart. Die Vauxhall Bridge links von Avi verschwand hinter einem Regenschleier.
    Er rannte los, um sich unterzustellen, blieb aber schon nach wenigen Schritten stehen. Das Gesicht zum Himmel gewandt, verharrte er im Wolkenbruch, während ihm das Wasser übers Gesicht rann. Es war sinnlos, ein geschütztes Plätzchen zu suchen, denn er war ohnehin bereits nass bis auf die Haut. Also beschloss er, noch ein letztes Mal die Elemente in sich aufzusaugen, die diese Welt ihm entgegenschleuderte.
    Schließlich würde er nicht mehr lange hier sein.
    Wie kam er eigentlich dazu, Hannah zu verdächtigen, obwohl er doch selbst der wahre Heimlichtuer war?
    Es gab so vieles, was er ihr verschwiegen hatte: dass er von seinem Vater träumte, seine Angst um ihre Mutter, seine Begegnung mit den Wächtern …
    … und die Tatsache, dass ich nach Hause zurückkehre.
    Der Regenschauer ging in ein Nieseln über, die Luft wurde ein wenig frischer, und die Brücke trat wieder aus dem Dunst hervor. Aber Avis Blick galt nicht der Brücke, sondern dem Gebäude am anderen Flussufer.
    Dem Elektrizitätswerk von Battersea.
    Am Ufer ragten zwei riesige alte und verrostete Kräne in den Himmel. Dahinter erstreckte sich eine Brachfläche, wo ein großes Bauwerk aus Backstein stand. Seine Ecken wurden von gewaltigen viereckigen Säulen verstärkt, aus denen sich vier weiße Schornsteine erhoben. Die hohen Mauern zwischen den Säulen wiesen zahlreiche Fenster mit zerbrochenen Scheiben auf. Das Gebäude wirkte verlassen.

    Der Regen wurde wieder heftiger, als Avi die Chelsea Bridge überquerte. Die Passanten stemmten sich, mit Schirmen bewaffnet, gegen den Schauer an. Wer das Pech hatte, keinen Schirm mitgebracht zu haben, stellte sich so schnell wie möglich unter. Auf der Straße schalteten die Autofahrer die Scheinwerfer ein und fuhren im Schritttempo. Froh, dass der Regen ihm Tarnung bot, setzte Avi seinen Weg fort und kletterte unbemerkt über den eisernen Zaun. Dahinter, unter dem südlichen Ende der Victoria-Eisenbahnbrücke, war der Boden rissig und endete am Elektrizitätswerk.
    Während Avi sich dem Gebäude näherte, wurde der Himmel klar, und es hörte schlagartig auf zu regnen. Voller Furcht vor Entdeckung schaute er sich um und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass der Wolkenbruch hinter ihm unvermindert weitertobte. Auf der nördlichen Seite des Flusses regnete es ebenfalls. Ganz London lag unter dichten Wolken, nur das Elektrizitätswerk in Battersea blieb verschont.
    Avi hielt die Hände in die trockene Luft. Hier musste Magie im Spiel sein. Wie sonst ließ sich der plötzliche Wetterwechsel erklären? Er war sicher, dass das Feenreich zum Greifen nah war, so dass er vielleicht sogar nur die Finger auszustrecken brauchte, um es zu berühren. Aber er spürte nichts als eine Brise. Hoch über seinem Kopf stieß eine Möwe einen klagenden Schrei aus.
    Er erschauderte und ging weiter durch den Sonnenschein.
    Nun stand er vor der Schwierigkeit, wie er in das Elektrizitätswerk hineinkommen sollte. Trotz seines verfallenen Zustands waren die Außenmauern des Gebäudes solide, und man hatte alle Eisentüren mit massiven Vorhängeschlössern gesichert. Also nahm Avi die Regenrinnen in Augenschein und entdeckte schließlich eine, die bis zum Dach reichte. Nachdem er in die Hände gespuckt hatte, fing er an zu klettern. Er fürchtete sich nicht. Ein Sturz würde zwar schmerzhaft sein, doch er wusste ja, dass er ihn überleben würde. Außerdem hatte ihn das ständige Steigen auf Baugerüste von seiner Höhenangst kuriert.
    Nur die Frage, was er im Inneren des Gebäudes vorfinden würde, bereitete ihm Sorgen.
    Als er weiterkletterte, frischte der Wind auf, und seine Schultern und Arme begannen zu brennen. Auf halber Höhe schlang er die Beine fest um das Rohr, um seine Hände zu entlasten und sich auszuruhen. Die Scheinwerfer der Autos auf der Brücke schimmerten gedämpft durch den fallenden Regen. Er schob sich weiter Zentimeter um Zentimeter die Regenrinne hinauf. Oben auf dem Dach zauste ein Sturm seine Kleider.
    Vorsichtig tastete er sich an zerbrochenen Oberlichtern vorbei und über das Flachdach bis zu dem gähnenden Abgrund, der ins Innere des Elektrizitätswerks führte, nahm all seinen Mut zusammen und spähte hinunter. Nichts.
    Das Elektrizitätswerk, die ausgeweidete, leere Hülle eines Gebäudes, lag verlassen da. Die vier hohen Mauern waren mit Gerüsten abgestützt, der Boden bestand aus nackter brauner

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