Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

dich um ihn, Levi.«
    »Nichts lieber als das«, antwortete der.
    Mit einer eleganten Bewegung zog er den Degen, dessen schwarze Klinge matt schimmerte wie polierter Gagat. Dann baute er sich vor dem ängstlich geduckten Goblin auf, der sich schützend die Hände vors Gesicht hielt. Im nächsten Moment umfasste Levi den Griff des Degens mit beiden Händen und stieß ihn dem Goblin so kräftig in die Brust, dass er seinen Körper durchbohrte und ihn an den Boden nagelte. Der Goblin zuckte, als stünde er unter Strom. Grünes Blut floss ihm aus dem Mund, und schließlich blieb er leblos im verkohlten Gras liegen.
    Sichtlich angewidert zog Levi den Degen langsam aus der Leiche, wischte die Klinge an der zerfetzten Tunika des Toten ab, steckte die Waffe weg und drehte sich zu seinem Vater um.
    In seinem Entsetzen über den kaltblütigen Mord, dessen Zeuge er gerade geworden war, konnte Avi den nächsten Worten nicht folgen, und er duckte sich tiefer in sein Versteck. Daher kamen also die toten Goblins. Kellens Brücke befand sich eindeutig noch in der Erprobungsphase. Avi fragte sich, ob die Testpersonen Freiwillige gewesen waren oder ob man sie gezwungen hatte, an Kellens grausiger Versuchsreihe teilzunehmen. Allerdings bedeutete das keinen Unterschied – gestorben waren sie so oder so.
    Aber wie hatten Kellen und Levi die Reise überstanden, wenn die Brücke so gefährlich war? Das blaue Feuer, das sie hergebracht hatte, unterschied sich von der rotierenden Scheibe des Goblins. Avi fühlte sich an die Flammen erinnert, mit deren Hilfe Kellen ihn aus dem Krankenhaus hatte entführen wollen. Damals waren sie knisternd aus seinen Fingerspitzen geströmt und hatten eine Verbindung zwischen den beiden Welten hergestellt.
    Ein Ächzen riss ihn aus seinen Gedanken. Als er hinter einem Zipfel der Plane hervorspähte, bot sich ihm ein Anblick, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: Levi schleppte den Goblin, den er gerade getötet hatte, genau zu Avis Versteck. Kellen folgte ihm, die Hände auf dem Rücken verschränkt, offenbar um sich zu vergewissern, ob sein Sohn auch alles richtig machte.
    Avi sah sich nach einem Fluchtweg um, doch er war auf allen Seiten von freien Flächen umgeben, so dass die beiden ihn auf jeden Fall bemerken und verfolgen würden. Und da Kellen sehr schnell war, gab es nur die Möglichkeit, sich unsichtbar zu machen.
    Avi zwängte sich zwischen zwei Leichen, wobei er darauf achtete, dass die Plane sich nicht bewegte. Ein Toter trug einen zerfetzten Umhang. Avi legte sich auf den Rücken und zog den Umhang wie eine Decke über sich. Der Stoff war voller Löcher, durch die Tageslicht fiel. Seine Hand berührte etwas Kaltes und Hartes: eine Eisenstange, die unter einer der Leichen eingeklemmt war. Er zog sie heraus und hielt sie gut fest. Wenn nötig, würde er sie benutzen.
    Levis leise Schritte näherten sich, begleitet von einem abscheulichen Schmatzen und Rutschen. Kellen summte ein fröhliches Lied vor sich hin.
    Plötzlich verstummten die Geräusche. Langsam legte Avi den Kopf in den Nacken. Durch die Risse im Umhang hatte er beinahe freie Sicht auf den Himmel und die hohen Mauern des Elektrizitätswerks. Ebenso wie auf die Gestalt, die gerade in sein Blickfeld getreten war.
    Levi starrte ihm genau ins Gesicht.

Kapitel 9
    E r umklammerte die Eisenstange. Falls Levi ihn angreifen sollte, würde er ihn kräftig damit gegen die Schläfe schlagen. Mit ein wenig Glück konnte es ihm vielleicht sogar gelingen, ihm den Degen zu entreißen, ehe er und Kellen wussten, wie ihnen geschah.
    Doch anstatt den Umhang wegzuziehen, der Avi bedeckte, hob Levi den Toten hoch und warf ihn auf den Haufen, dass eine Staubwolke aufstieg. Der Goblin landete direkt auf Avi, der nach Luft schnappte. Doch wegen des dumpfen Aufpralls hörte Levi nichts.
    Avi kämpfte gegen die aufsteigende Panik an und zwang sich, reglos liegen zu bleiben und nicht darauf zu achten, dass sich das leblose Gesicht des Goblins an seines presste. Der Tote ruhte schwer auf seiner Brust, und widerwärtige Flüssigkeiten tropften durch seine Kleider auf Avis Haut.
    Levi lachte, Kellen summte weiter, und schließlich entfernten sich die Geräusche. Avi kroch unter der Leiche hervor und fand sich knietief in einem Haufen Staub wieder, der einmal ein Goblin gewesen war. Mit angehaltenem Atem schaute er gerade rechtzeitig hervor, um zu sehen, dass Kellen ein kleines Fläschchen mit blauer Flüssigkeit aus seinem Umhang hervorholte.
    »Meine