Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
war ein wenig verwundert, dass jemand einen solchen Anzug in einem aufgegebenen Elektrizitätswerk herumliegen ließ. Oder lagerten hier etwa giftige Chemikalien?
Außerdem stimmte etwas nicht mit dem Handschuh. Avi stieß ihn mit dem Fuß an, so dass das lederähnliche Material auseinanderklappte. Dann zählte er die Finger. Es waren nur drei. Also nicht für eine menschliche Hand bestimmt.
Mit einem ausgesprochen mulmigen Gefühl sah er genauer hin. Der Anzug war nahtlos und zum Teil versengt wie die Grasfläche, die er gerade überquert hatte. Als er die Plane noch ein Stück zurückschlug, stieß er nicht wie erwartet auf eine Schutzmaske.
Der Anzug hatte ein Gesicht.
Denn es war gar kein Anzug, sondern Haut – die Haut eines Goblins.
Avi spürte, wie Brechreiz in ihm aufstieg, und taumelte rückwärts. Dabei verfing sich sein Fuß in der Plane und zog sie mit. Als sie von dem Haufen rutschte, kamen Dutzende weiterer Goblins in verschiedenen Stadien der Verwesung zum Vorschein. Einige waren nur leere Hüllen, andere machten einen geschmolzenen oder verbrannten Eindruck oder hatten Gliedmaßen verloren. Einer wirkte wie umgestülpt. Der Gestank raubte Avi den Atem.
Er fiel auf Hände und Knie und erbrach sich. Über seinem Kopf hörte er die Möwe kreischen. Gleichzeitig begann der Boden unter ihm zu beben, als rattere eine U-Bahn vorbei. Aber eine innere Stimme sagte ihm, dass das ganz sicher nicht der Fall war.
Nachdem er sich den Mund am Ärmel abgewischt hatte, rappelte er sich mühsam auf. Inzwischen schwankte der Boden so heftig, dass er kaum noch aufrecht stehen konnte, und er blickte auf, um sich zu vergewissern, dass die massiven Mauern nicht über ihm zusammenstürzen würden. Der Luftdruck stieg, bis es ihm in den Ohren schmerzte, und im Wind schwang ein schrilles Heulen mit, das an das Pfeifen eines kochenden Teekessels erinnerte. Das Geräusch wurde lauter und lauter. Staubwolken huschten über den Boden und umwirbelten Avis Beine.
Er geriet ins Straucheln, stolperte über die Plane und stürzte mitten in den Berg aus Goblinleichen.
Zwanzig Meter von ihm entfernt, genau in der Mitte des verlassenen Elektrizitätswerks, klaffte plötzlich ein Loch in der Luft.
Dann wurde alles blau.
Kapitel 8
A vi hielt sich schützend die Hand vor die Augen und verkroch sich hinter dem Leichenberg. Das blaue Licht blendete ihn, während das Kreischen sich durch die Oktaven nach oben schraubte, bis er es nicht mehr hören konnte. Es wich einem tiefen Summen, das sich zwischen den Mauern des Elektrizitätswerks auszubreiten schien.
Schließlich ballte sich das Licht zu einer leuchtenden blauen Scheibe und schwebte durch die Luft. Sie drehte sich und wirbelte um die eigene Achse wie eine Münze auf einer Tischplatte. Immer wenn sie den Boden berührte, wurde das Gras schwarz, und Rauchwölkchen stiegen auf.
Avi robbte ein Stück zur Seite, um besser sehen zu können. Seine Hand berührte etwas Weiches: das verwesende Gesicht eines toten Goblins. Angewidert zog er sie zurück. Die Frage, woraus die glitschige Masse auf dem Boden bestand, stellte er sich lieber gar nicht erst. Er unterdrückte den Brechreiz, versteckte sich hinter den Leichen und beobachtete die Szene.
Die Scheibe schillerte und veränderte beim Herumwirbeln immer wieder die Größe, und hin und wieder zuckte eine blaue Flamme an ihrem Rand auf. Sie wirkte auf unerklärliche Weise gleichzeitig misslungen und gefährlich. Die Luft zischte. Als Avis Handrücken prickelten, schaute er hin und bemerkte, dass sich ihm sämtliche Härchen aufgestellt hatten.
Inzwischen drehte die Scheibe sich langsamer, hielt plötzlich inne und verharrte zur Seite gekippt wie ein vom Absturz bedrohter, angelehnter Teller. Als sie ein wenig wackelte, machte Avi sich so klein wie möglich und wartete voller Angst ab, was nun geschehen würde.
Die Scheibe verschwand mit einem scharfen Knall.
An ihrer Stelle schwebte ein Goblin einige Meter über dem verkohlten Gras. Einen Moment schien es, als hinge er an unsichtbaren Fäden, dann stürzte er mit einem dumpfen Krachen zu Boden.
Der Goblin machte einen ausgesprochen bemitleidenswerten Eindruck. Der Großteil seiner Kleidung war verbrannt und gab nackte, ledrige, von leuchtend roten Brandblasen übersäte Haut frei. Er fing sofort an zu ächzen und sich unter lauten Schmerzensschreien zu winden. Aus seinem rechten Arm züngelten noch Flammen.
Avi wollte ihm schon zu Hilfe eilen, hielt jedoch inne. Es gab nur
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