Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
Wandern zwischen den Welten«, wandte er deshalb rasch ein. »Äh, wir würden uns freuen, wenn du uns dabei hilfst. Deshalb sind wir hier.«
Mit offensichtlichem Widerstreben wandte Blink den Blick von Hannah ab. »Zwischen den Welten wandern? Das ist doch nicht schwer. Es gibt Brücken und Gemälde, und außerdem betreibt Kellen es inzwischen im großen Stil.«
»Ich weiß. Doch es geht mir weniger um das Wandern als darum … nun, auf halbem Wege anzuhalten.«
»Ich kann dir nicht ganz folgen, mein Junge. Oder besser gesagt, ich will es nicht.«
Avi atmete tief durch. »Ich muss ins Déopnes . In die Zwischenwelt. Mein Vater ist dort, und du bist der Einzige, der mir helfen kann, ihn zu befreien.«
Fugit wandte sich mit einem Stöhnen ab, während Blink die Lippen schürzte und mit der Zunge schnalzte.
»Oren ist in die Zwischenwelt gefallen«, erklärte Iritha.
»Wie achtlos von ihm. Er sollte es eigentlich besser wissen.«
»Es war keine Achtlosigkeit«, protestierte Avi. »Es ist passiert, als er mich vor der Gefangennahme bewahrt hat. Deshalb muss ich zu ihm und ihn zurückholen.«
»Weil du ein schlechtes Gewissen hast?« Blink betrachtete ihn argwöhnisch.
Avi überlegte, ob an dieser Behauptung etwas dran war. »Weil er mein Vater ist«, erwiderte er schließlich.
Blink nickte, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. »Löblich«, stellte er fest. »Außerdem mutig. Allerdings auch leichtsinnig, sträflich leichtsinnig. Und aus diesem Grund … bedaure, Avi … kann ich dir nicht helfen.«
Hinter Avi ertönte ein Knurren. Er drehte sich um und rechnete eigentlich mit einem wilden Tier, das gerade aus dem Gebüsch gekommen war, aber im nächsten Moment wurde ihm klar, dass Iritha das Geräusch ausgestoßen hatte.
»Bitte«, sagte er. »Ich bin zu allem bereit.«
»Aber ich nicht. Ich war schon einmal im Déopnes und möchte diese Erfahrung nicht wiederholen. Wenn du diesen Ort mit eigenen Augen gesehen hättest, würdest du wissen, was ich meine. Das Déopnes ist wie …« Suchend schaute Blink sich um, bis sein Blick auf eine große Pflanze mit gewaltigen violetten Blüten fiel, die an fleischige Flaschenkürbisse erinnerten. Er zeigte darauf. »Wie eines von diesen Dingern. Eine Venusfliegenfalle. Weißt du, was das ist?«
Avi schüttelte den Kopf.
»Ich schon«, meinte Hannah bedrückt. »Venusfliegenfallen locken Fliegen mit ihrem Nektar an. In die Blüte hineinzukommen, ist einfach. Und sobald die Fliege drinnen ist, ist sie gefangen.«
»Nektar?«, wiederholte Fugit. »Was für ein Ende!«
Blink nickte. »Deine Freundin ist nicht nur hübsch, Avi. Wenn du erst einmal drinnen bist, könnte es dir ergehen wie einer dieser kleinen Fliegen.«
» Du hast es doch auch geschafft«, wandte Avi ein. »Du, mein Vater und Kellen, ihr konntet fliehen.«
»Einmal und nie wieder.« Blink erschauderte. »Das habe ich geschworen. Und zwar in Gegenwart von Oren. Er hatte Verständnis dafür.«
»Also gut«, meinte Hannah. »Dann verrate uns eben den Trick. Wenn du schon nicht mitkommen willst, erklär uns wenigstens, wie wir es ohne dich hinkriegen können.«
Einen Sekundenbruchteil später stand Blink dicht vor ihr, nahm ihre Hand und fing an, sie zu streicheln.
»Ohne mich ist es unmöglich«, sagte er nur.
Hannah entriss ihm ihre Hand. Avi dachte fieberhaft nach. Es musste einfach einen Weg geben, ihn zu überzeugen.
»Bitte«, flehte er. »Wir würden alles dafür tun. Willst du Geld?«
»Und was bitte würde mir Geld im Déopnes nützen?«, gab Blink zurück.
Avi wurde klar, dass Blink seine Entscheidung getroffen hatte. Als er Iritha hilfesuchend ansah, stellte er fest, dass sie inzwischen anderweitig beschäftigt war. Sie blickte sich mit geblähten Nüstern in alle Richtungen um.
»Iritha?«, fragte Avi.
Im nächsten Moment ging sie in die Hocke. Ihr Gewand bauschte sich und wurde von Stoff zu Fell.
Blink verschwand.
Noch ehe Iritha ihre Verwandlung beenden konnte, zerbarst das Fenster am anderen Ende des Kirchenschiffs mit einem ohrenbetäubenden Knall. Die auf dem Bild dargestellte Szene zerbrach in tausend Scherben, so dass sich ein Regen aus bunten Glassplittern über die Anwesenden zu ergießen drohte.
Avi drehte sich von den todbringenden Geschossen weg und schützte Hannah mit seinem Körper.
Aber der erwartete Scherbenhagel blieb aus.
Vorsichtig wandte Avi sich wieder um. Die Luft war mit Splittern erfüllt, die alle reglos verharrten wie gefrorene Regentropfen.
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