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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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Sauerstoff oder Eisen und so weiter?«
    »Ha! Du hast zu viel Zeit in der Welt der Sterblichen verbracht. Ich meine Erde und Luft, Feuer und Wasser. Für welches würdest du dich entscheiden?«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Hast du die Gesichter im Wasser gesehen?« Avi nickte. »Sie haben sich für das Wasser entschieden. Die Seelen, die am Nachthimmel schweben, wählten die Luft.«
    Beklommen scharrte Avi mit den Füßen und fragte sich, ob er womöglich gerade auf denen herumtrampelte, die der Erde den Vorzug gegeben hatten.
    »Warum eine Insel?«, fragte er. »Besteht das Déopnes aus einem riesigen Ozean mit einer eigenen Insel für jeden, der hier landet?«
    »Das Déopnes tut, was es will.« Oren kratzte sich den mit Sand verklebten Bart und runzelte die Stirn. »Wir sind uns früher schon einmal begegnet, richtig?«
    »Ja, im Theater.«
    »Im Theater. Welches Stück wurde denn gespielt?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall etwas von Shake-speare.« Avi erinnerte sich an den Abend, als er und Roosevelt sich mit einer amerikanischen Touristengruppe ins Theater geschlichen und von Kundschaftern angegriffen worden waren. Er dachte an die Falltür. Daran, wie er in die Tiefe gestürzt war und dabei hinauf ins Gesicht seines Vaters geblickt hatte. Das Medaillon baumelte vor seinen Augen, als ob es gestern gewesen wäre. »Da war ein Plakat. Ein Schiff in einem Sturm war darauf abgebildet. Und eine der handelnden Personen hieß … Prosperus?«
    »Prospero.« Als Oren sich die Schultern rieb, rieselten Sand und Hautschuppen auf den Strand. »Also wurde Der Sturm gegeben. Das erklärt alles.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das Stück handelt von Seeleuten, die Schiffbruch erleiden und auf einer Insel stranden. Die Insel wird von Geistern bewohnt und von einem Zauberer namens Prospero regiert. Er hat den Sturm heraufbeschworen, in dem das Schiff zerschellt ist.«
    »Sind wir in diesem Stück?«
    »Nicht im eigentlichen Sinne. Das Déopnes nährt sich von deinen Erinnerungen, holt dir die Gedanken aus dem Kopf und passt seine Gestalt an das an, was es darin vorfindet. In mir ist es offenbar auf eine Insel und einen Sturm gestoßen. Und hier bin ich.«
    »Ich sehe nirgendwo einen Sturm«, wandte Avi ein.
    Anstelle einer Antwort spähte Oren besorgt in die Dunkelheit.
    Plötzlich wurde Avi klar, dass er ein beinahe alltägliches Gespräch mit seinem Vater führte. »Du bist heute Nacht so anders«, sagte er. »Weniger …«
    »Wirr im Kopf?«
    »Nun …«
    »Es kommt und geht. Bei Dunkelheit kehrt mein wahres Ich zurück. Und vielleicht … hilft es auch, dass du hier bist, Sohn.«
    Avi schluckte den Kloß in seiner Kehle herunter. »Hoffentlich«, erwiderte er.
    Orens Kopf fuhr herum. Anscheinend hatte er in der Dunkelheit etwas bemerkt, denn im nächsten Moment rannte er den Strand entlang. »Sie kommt! Sie kommt!«, rief er.
    Avi lief ihm nach. »Wer kommt?«
    »Aurora! Die Göttin der Morgendämmerung! Schau, wie sie Farbe in den Tag küsst!«
    Am Horizont hatte sich der Himmel sichtlich erhellt. In den folgenden Minuten verfärbte er sich von Violett zu Blau und schließlich zu einem atemberaubenden Orangeton. Die Sonne ging mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit auf und ähnelte einer leuchtend weißen Kugel, die in den Himmel hineinraste. Bald beschien Tageslicht den Strand und ließ Avis und Orens Fußabdrücke schattenhaft hervortreten. Avi erkannte die Spuren, die gestern bei seiner Ankunft entstanden waren, und bemerkte zu seinem Entsetzen, dass sie im Meer verschwanden. Das Wasser hatte den Großteil des Strandes verschluckt, was hieß, dass die Insel um einiges geschrumpft war.
    »Es ist fast nichts mehr übrig!«, verkündete er. Die Sandbank, auf der sie standen, war inzwischen kaum größer als ein Fußballfeld und wurde auf allen Seiten vom Meer umspült.
    »Hab ich es dir nicht gesagt!« Oren strahlte. »Aber sieh nur, was das Meer angeschwemmt hat.«
    Avi folgte ihm über den Buckel in der Mitte der Insel auf die andere Seite.
    Wenn das so weitergeht, sind wir morgen überflutet, dachte er.
    »Bei allen singenden Sirenen!«, rief Oren. »Was haben wir denn da?«
    Er kauerte neben einer silbrigen Gestalt am Ufer. Eine Welle schwappte über sie hinweg und zog sich wieder zurück, so dass die Gestalt schimmernd liegen blieb. Sie wurde von einem Büschel roten Seetangs gekrönt. Oder war es Fell?
    »Ist das ein Seehund?« Avi näherte sich vorsichtig. Schließlich konnten sich in dieser

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