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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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Reling mit angelaufener Goldkante. Schiefe Maste ragten aus dem Deck, und zerschlissene, schmutzige Segel blähten sich. Über allem lag ein stetes Knirschen, als würden Tausende quietschender Türen unablässig geöffnet und geschlossen.
    Avi war auf dem Schiff.
    »Komm!«, rief Hannah. Sie kletterten die Stufen zur Brücke am Heck des Schiffes hinauf, wo sich das Ruder befand. Das Steuer – ein gewaltiges Rad mit Speichen und Messinggriffen – drehte sich wild in alle Himmelsrichtungen.
    Gemeinsam gelang es ihnen, es zu bändigen.
    »Wohin?«, fragte Hannah.
    Im Osten, wo die letzten Reste des Sonnenscheins noch als orangefarbene Wölkchen zu sehen waren, war der Himmel ein wenig heller.
    »Da!«, erwiderte Avi und zeigte mit dem Finger. »Der Wind treibt uns sowieso dorthin.«
    Blitze zuckten am Himmel, und ein Geräusch ertönte, das an eine abgehende Lawine erinnerte. Schatten fielen aufs Deck. Das Steuer bäumte sich unter ihren Händen auf.
    Pennie erschien aus den Wolken. Von einem Seil war nichts zu sehen, doch die zerlumpte Vogelscheuche, die das Pennapor fest in den Klauen hielt, konnte nur Oren sein.
    »Sie hat ihn gefunden!«, jubelte Avi.
    Gegen den Wind ankämpfend, näherte Pennie sich dem Deck und ließ Oren los. Er landete mit einem Poltern und blieb reglos liegen. Pennie faltete die Flügel, kauerte sich neben ihn, begann rasch zu schrumpfen und passte sich in Farbe und Beschaffenheit den verwitterten Schiffsbohlen an.
    Avi war unsicher, ob er das Schiff auf Kurs halten oder sich lieber um seinen Vater kümmern sollte. Seine und Hannahs vereinte Kräfte waren nötig, um zu verhindern, dass das Steuer wieder zu rotieren anfing. Hannah allein war zu schwach dazu, weshalb er seinen Posten nicht verlassen durfte.
    Zu seiner Erleichterung krümmte sich Oren im nächsten Moment und hustete so erbärmlich, dass er selbst den tosenden Sturm übertönte. Also lebte er wenigstens noch. Pennie hüpfte die Stufen hinauf und schmiegte sich an Hannahs Füße. Ihre Körperumrisse wurden unscharf, als ihr das Wasser aus dem Fell tropfte.
    »Braves Mädchen! Gut gemacht!«, lobte Hannah.
    »Por-dilly-dum-pop«, war Pennies gedämpfte Stimme zu hören. Kurz darauf erklang ein unverkennbares Schnarchen.
    Plötzlich tat es irgendwo am Kiel einen gewaltigen Schlag, der das Schiff vom Bug bis zum Heck erschütterte. Dann wurde es in die Luft gehoben und stürzte zurück ins Meer. Waren sie auf ein Riff aufgelaufen? Avi war nicht sicher, ob er die Antwort wissen wollte, und malte sich schon aus, wie durch ein Leck Wasser in den Rumpf strömte.
    Das Schiff bekam Schlagseite in Richtung Steuerbord und neigte sich so stark, dass Oren gegen die Reling geschleudert wurde. Avi und Hannah klammerten sich mit Leibeskräften ans Steuer. Wellen schwappten über das Deck. Kaum lag das Schiff wieder gerade auf dem Wasser, als es noch einmal blitzte. Der Blitz traf den Sockel des Hauptmasts und zerschmetterte das untere Drittel, dass allen die Holzsplitter um die Ohren flogen. Mit einem gespenstischen Ächzen stürzte der restliche Mast zur Seite und ins Meer. Die Takelage zerriss wie Nähgarn. Die Segel wurden schlaff und versanken.
    Diesmal blieb der Himmel hell. Direkt über ihnen befand sich eine Wolkenlücke. Die Sonne, die wie von Zauberhand bereits ihren Zenit erreicht hatte, brannte auf sie herunter, während ringsherum weiter der Sturm tobte. Dann legte sich der Wind urplötzlich, und es herrschte dröhnendes Schweigen.
    »Es ist wie im Auge eines Orkans«, meinte Hannah.
    »Mir gefällt das gar nicht«, erwiderte Avi.
    Als er einen Blick über den zerborstenen Stumpf des Masts riskierte, erkannte er, dass er tatsächlich allen Grund zur Sorge hatte: Unmittelbar unter der Wolkenlücke und direkt in ihrem Kurs verschwand das Meer in einem gewaltigen Strudel.
    »Wir müssen die Stelle umfahren!«, rief Avi und drehte das Steuer nach Backbord. Es ließ sich so leicht bewegen, dass er schon befürchtete, das Ruder könnte abgebrochen sein. Aber dann änderte das große Schiff langsam seine Fahrtrichtung.
    Der Strudel, eine kegelförmige Einbuchtung im Wasser, wirbelte in schwindelerregendem Tempo.
    Noch ein Abgrund, dachte Avi. In welche Unterwelt mag er wohl führen?
    Als das Steuer wieder störrisch wurde, stellte Hannah sich an die Backbordseite, und sie hängten sich mit ihrem ganzen Gewicht an das Rad, um dem Strudel auszuweichen. Der Bug schwang herum. Wieder schlug ein Blitz ins Heck ein. Die Segel flatterten im

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