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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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Gehirn war noch genauso leergefegt wie beim Sturz durch das Schweigende Tor. Der Kobold hob den Kopf.
    Sein Gesicht war ausgemergelt, wettergegerbt, faltig und mit Salz verkrustet. Ein langer, struppiger Bart spross an seinem spitzen Kinn. Die Adern in den Winkeln seiner großen, hungrigen Augen schimmerten grünlich. Es war das Gesicht aus Avis Träumen. Das Gesicht seines Vaters.
    »Oren«, sagte Avi. Sein Mund war trocken, und das Tosen der Brandung übertönte seine Stimme. »Ich bin es, Avi«, versuchte er es noch einmal, ein wenig lauter.
    Oren musterte ihn. Als er die Lippen bewegte, war kein Wort zu hören. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Es war keine sehr gute Idee herzukommen«, stieß er schließlich heiser hervor. »Hast du Käse mitgebracht?«
    Überrascht von der zusammenhanglosen Bemerkung, schüttelte Avi den Kopf.
    »Zweimal sieben ist sechsundsechzig«, fuhr Oren in verschwörerischem Ton fort. »Ich bin nämlich verrückt, weißt du?«
    Avi starrte entgeistert auf seine rollenden Augen und die zitternden Hände. Verrückt? Vielleicht, aber andererseits hatte dieser Ort ohnehin etwas Verrücktes an sich. Der Strand verbreitete eine beunruhigende Stimmung wie in einem Traum. Gab es diese Insel wirklich? Und war Oren tatsächlich so verrückt wie die Welt, die sie beide verschlungen hatte?
    »Ich bin hier, um dich zu retten«, sagte Avi.
    Anstatt auf ihn zu achten, zählte Oren wieder und wieder seine Finger und schien jedes Mal überrascht zu sein, dass das Ergebnis zehn lautete.
    Was hast du erwartet?, schalt sich Avi. Dass er dir um den Hals fällt?
    Er rüttelte seinen Vater an der mageren Schulter. »Weißt du überhaupt, wer ich bin?«
    Oren musterte ihn argwöhnisch. »Das ist nicht die Frage. Viel interessanter ist, ob du weißt, wer ich bin. Gibt es jemanden, der es weiß? Nicht einmal ich selbst bin sicher. Und du hast wirklich keinen Käse dabei?«
    »Ich bin Avi. Dein Sohn. Du bist mein Vater.«
    Als Oren kicherte, entstanden weitere Falten auf seiner vom Wind ausgedörrten Haut. »Pah! So viel zum Thema Geheimnisse.«
    »Geheimnisse? Wovon redest du?«
    Oren blickte sich verstohlen auf der Sandbank um. »Ein ziemlicher Skandal bei Hofe. Sie will dich an ein Kindermädchen abschieben. Wahrscheinlich macht Iphigenia das Rennen.«
    »Das ist doch schon lange her. Seitdem bin ich erwachsen geworden. Ich bin über dich und Arethusa im Bilde. Über eure Affäre … über eure Liebe.«
    Oren ließ den Kopf wieder sinken. Das graumelierte Haar fiel ihm in die Stirn.
    »Wie geht es der Königin?«, murmelte er.
    »Gut«, log Avi. Er schob die Hand unter den mageren, abgezehrten Arm seines Vaters. »Und jetzt komm. Wir müssen versuchen, von hier zu verschwinden.«
    Oren machte sich los. »Man kann von hier nicht verschwinden. Weder von dieser Insel noch aus diesem Reich. Du bist jetzt in der Zwischenwelt, mein Junge. Wir beide. Und hier bleiben wir auch, ganz gleich ob Unwetter oder Hochwasser, Käse oder kein Käse.«
    »So darfst du nicht reden. Steh auf! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Erneut hob der Kobold den Kopf. Tiefe Niedergeschlagenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Tage sind hier nicht so wichtig«, entgegnete er.
    Avi sah sich um. Rund um ihn herrschte Leere. Kein Boot, keine Bäume, keine anderen Lebewesen. Nur dieses Fleckchen Sand und ein riesiger, eintöniger Ozean.
    »Du bist schon einmal entkommen«, meinte er. »Damals mit Blink. Dann kannst du es auch wieder schaffen.«
    Tränen rannen Oren übers Gesicht und hinterließen Spuren in der Salzkruste. »Ich erinnere mich nicht daran«, erwiderte er. »Ich habe alles vergessen.«
    Verzweifelt richtete Avi sich auf. »Du kannst nicht einfach tatenlos herumsitzen. Schließlich bin ich nur deinetwegen hier.« Er stieß den Fuß in den Sand. »Irgendetwas musst du doch behalten haben.«
    Aber Oren zuckte nur mit den Achseln. Am liebsten hätte Avi ihn geschüttelt und ihn angeschrien, er solle sich zusammennehmen. Dann jedoch bemerkte er die schicksalsergebene Miene seines Vaters und beherrschte sich. Schließlich wusste er nur allzu gut, wie es war und wie es sich anfühlte, das Gedächtnis zu verlieren. Außerdem war Oren schon viel zu lange hier. Kein Wunder, dass ihm das aufs Gemüt geschlagen war.
    Eine schreckliche Erkenntnis stieg in Avi auf. Was hatte er nur getan? Nun saßen sie zu zweit hier fest. Hannah hatte recht gehabt. Für uns gibt es keine Hoffnung mehr, dachte er.
    Plötzlich ließ der

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