Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
nichts ausmacht …«
»Es macht mir aber etwas aus«, entgegnete Avi. »Ich will nach Falcon Island, um mir Kellen vorzuknöpfen. Man muss ihm das Handwerk legen.«
Tyrians Miene verfinsterte sich noch mehr. »Das ist Sache der Elfen«, widersprach er. »Es geht uns nichts an.«
»Ach, so weit sind wir schon?«, murmelte Brucie.
Arethusas Kopf fuhr hoch. »Du vergisst dich, Kleine.«
Brucie wandte sich ab und verschwand in einer blauen Staubwolke.
»Wir müssen ihnen helfen!«, beharrte Avi. »Oren?«
Er sah seinen Vater an, der eine Weile schwieg.
»Ja. Avi hat recht. Ich hätte nie gedacht, dass Kellen so tief sinken würde«, meinte er schließlich.
»Wenn man den Geschichten glauben kann«, wandte Tyrian ein.
»Sie sind wahr«, erwiderte Hannah.
Arethusa lächelte. »Gut. Heute Abend feiern wir, und morgen setzen wir eine diplomatische Note auf und schicken sie an Kellen …«
»Eine diplomatische Note?«, wiederholte Avi. »Ist das dein Ernst?«
»Absolut«, entgegnete sie kühl.
»Wir müssen sofort etwas unternehmen«, drängte Avi. »Während wir hier reden, werden Elfen verstümmelt.«
»Du vergisst dich, Herr«, tadelte Tyrian ruhig.
Avi trat einen Schritt zurück. »Nein, ich kenne mich inzwischen besser als je zuvor«, entgegnete er, denn obwohl er den Großteil seiner Erinnerungen an das Feenreich verloren hatte, sah er es nun endlich so, wie es wirklich war.
Ich habe euch durchschaut, dachte er.
»Wenn du mir jetzt nicht hilfst«, wandte er sich an Arethusa, »werde ich dir kein zweites Mal verzeihen.«
Endlich zeigten seine Worte Wirkung. Die Königin erbleichte und sackte auf ihrem Thron in sich zusammen. »Also gut«, erwiderte sie. »Tyrian, sorge dafür, dass mein Sohn alle Waffen bekommt, die er braucht.«
Oren legte ihr den Arm um die Schulter. »Du triffst die richtige Entscheidung.«
»Hoffentlich«, meinte Tyrian. »Doch wer soll den Jungen begleiten? Keine Fee wird für die Elfen kämpfen.«
»Aber ich«, sagte Oren.
Arethusa starrte ihn entsetzt an. »Du willst dich gegen Kellen stellen?«
»Kellen hat den Treueeid gebrochen, als seine Goblins meine Schwester getötet haben«, entgegnete er.
»Ich komme auch mit«, sagte Hannah.
Tyrian lachte abfällig auf.
»Pen-a-pop«, krächzte es von einem Wandteppich.
»Ein hübsches Trüppchen seid ihr, um euch mit Kellens Horden anzulegen«, höhnte Tyrian.
Auf Befehl der Königin führte Tyrian sie über verschiedene hölzerne Hintertreppen auf eine lange Empore, von der einige schwere Türen aus Eichenholz abgingen. Vor ihrem Aufbruch hatte Arethusa Oren noch einmal angefleht, bei ihr zu bleiben.
»Du darfst nicht fort«, bettelte sie. »Nicht nach allem, was du durchgemacht hast. Gerade erst bist du zu mir zurückgekehrt. Ich gestatte es nicht!«
Eigentlich hatte Avi angenommen, dass Oren sie wegschieben würde, doch stattdessen umfasste er ihren Nacken, zog sie an sich und küsste sie leidenschaftlich. »Ich werde an nichts anderes denken als an dich, bis ich siegreich zurückkehre«, erwiderte er.
Arethusa sank mit wogender Brust zurück und presste die Hand an die Kehle. Avi war sicher, dass es zwischen ihrem Hang, mit den Gefühlen anderer zu spielen, und der wahren Liebe irgendwo eine Grenze gab, konnte jedoch nicht feststellen, wo diese verlief. Vielleicht wusste sie es ja selbst nicht.
Am Ende der Empore hing ein riesiger Wandteppich, der Avi vertraut erschien. Der Grund dafür wurde ihm erst klar, als er dicht davorstand. In der Mitte der Darstellung schlängelte sich die Themse an Westminster vorbei und bildete unterhalb der Isle of Dogs eine Schlaufe.
»Das ist ja ein Stadtplan!«, rief er.
Natürlich unterschied sich der Flusslauf von dem in Hannahs London. Im Norden und im Süden zweigten Seitenarme ab, und an den Ufern gab es Teiche. Arethusas Palast war, ebenso wie der Tower im Osten, kunstvoll dargestellt. Wo sich im nördlichen London der Moderne Vorstädte befanden, erstreckten sich Felder. Der Wandteppich war in strahlenden Rot-, Blau-, Gold- und Silbertönen gehalten und vermittelte dem Betrachter das Gefühl, die Stadt aus der Vogelperspektive zu sehen.
»Wer hat ihn gemacht?«, erkundigte sich Hannah begeistert.
»Eine sehr begabte Frau namens McMoira«, erklärte Oren. »Man nennt sie auch die Weberin. Die Karte verändert sich mit dem Königreich.«
Avis Vater zeigte auf eine Stelle am Südufer, wo ein kleiner Bach in den Fluss führte. An seiner Mündung war eine Insel zu sehen. Oren
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