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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Herubald zurückgelassen hätte. Wenn die Drachen ihn nun angreifen würden, wäre er ohnehin verloren. Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass die Drachen ihn schon lange hätten töten können, ohne ihn so weit durch die Nacht zu führen. Die lange Wanderung musste also einen anderen Sinn haben – aber welchen?
    Endlich blieb der Drache stehen und wandte seinen langen, biegsamen Hals nach hinten, um den Ritter anzusehen. Vor ihnen lag ein Geröllhang, der steil in eine Senke hinunterführte, und Loridan bemühte sich vergeblich, Einzelheiten in dem lichtlosen Abgrund ausmachen. Sofort als er zu dem Drachen aufgeschlossen hatte, setzte dieser sich wieder in Bewegung, hinab in die Senke, begleitet vom leisen Poltern rollender und rutschender Steine. Loridan wartete kurz, bis die kleine Gerölllawine zur Ruhe gekommen war, dann folgte er vorsichtig. In der Dunkelheit vor ihm flammte plötzlich ein Funke auf, der sich allmählich zu einem gleichmäßigen Leuchten verstärkte. Seltsam stetig war das Licht, ohne zu flackern wie Feuerschein, auch wenn es kaum mehr Licht spendete als eine Fackel. Eher hatte Loridan das Gefühl, als sei ein Stern vom Himmel herabgefallen und am Boden dieser Senke zum Liegen gekommen. Er machte sich jedoch nur kurz Gedanken über die Natur des Lichts, denn in seinem Schein erkannte er, dass dort ein weiterer Drache wartete. Einen Moment stieg wieder die Sorge in ihm auf, dass dies eine Falle sein könnte, doch er vertraute auf seine eigene Zuversicht, die ihn auf dem Weg hierher begleitet hatte.
    Zögernd näherte sich Loridan den beiden Drachen, bis er hinter dem geheimnisvollen Licht eine Bewegung wahrnahm. Ein weiteres Wesen wartete dort auf ihn, wesentlich kleiner als die Drachen. Für einen Moment schimmerte das Licht auf langen goldenen Haaren. Die beiden Drachen rückten nun näher zusammen, sodass die schlanke Gestalt zwischen ihren massigen Leibern geborgen war, während ihre Köpfe sich Loridan zuwandten.
    Der Ritter erkannte, dass das Licht von einem kleinen Gegenstand ausging, einem Kristall vielleicht, der auf einem großen Felsbrocken am Boden der Senke lag. Das Licht befand sich nun genau zwischen Loridan und den Drachen und blendete ihn, sodass er sich vergeblich bemühte, die schlanke Gestalt genauer zu erkennen. Dies musste der Engel sein, von dem Jandaldon berichtet hatte!
    Er konzentrierte sich wieder auf die Drachen, sah, wie das Licht geheimnisvoll in ihren großen Augen schimmerte. Eine Woge von Gefühlen überflutete den Ritter, und er wusste, dass es nicht nur seine eigenen Empfindungen waren, sondern dass er auch an denen der Drachen teilhatte. Und diese Gefühle ähnelten den seinen: Misstrauen, Sorge, Angst. Lag wirklich Angst in den Augen der Drachen?
    »Warum habt ihr mich an diesen Ort gebracht?« Loridan versuchte, die Anspannung zu lockern, indem er irgendetwas sagte, und er bemühte sich, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. Er hoffte, dass seine Ruhe sich auf die Drachen übertragen würde, so wie deren Stimmung auch ihn beeinflusste, selbst wenn sie seine Worte nicht verstehen konnten.
    »Du wurdest nicht gebracht – aus eigenem Willen bist du Schwarzauge gefolgt. Warum bist du gekommen?«
    Da er nicht mit einer Antwort gerechnet hatte, zuckte Loridan unwillkürlich zusammen. Er richtete seinen Blick wieder auf die Dunkelheit zwischen den beiden Drachen, in der er immer noch keine Einzelheiten erkennen konnte. Die Stimme, die sanft und leise zu ihm gesprochen hatte, war die einer Frau.
    »Wer bist du?«, fragte er. Als er einen Schritt nach vorne trat, bewegten sich sofort auch die Drachen und versperrten ihm mit ihren Köpfen den Weg. Der Blick in ihren Augen ließ Loridan innehalten.
    »Frage jetzt nicht nach mir, bitte. Warum bist du gekommen?«
    Die Stimme der Frau klang genauso ruhig wie zuvor, doch Loridan war erfüllt von einem Sturm der Gefühle. Viel würde von seiner Antwort abhängen, auch wenn die ganze Situation ihm unwirklich wie ein Traum erschien.
    »Vor einem Vierteljahr begegnete ich einem Drachen, der mich hätte töten können, aber er tat es nicht. Ich wüsste gerne, warum.«
    Für eine kurze Zeit herrschte Stille, dann sprach die Stimme wieder.
    »Wir haben von dir gehört. Der Drache, den du trafst, war Feuerwind. Du hast seine Gefährtin getötet, aber er erkannte den Geist Firions in dir, deshalb verschonte er dich. Warum hast du Rotschwinge getötet?«
    »Wir wurden angegriffen, mein Schwertbruder und ich. Wir mussten uns

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