Brüder der Drachen
kleinen Baches auf dem gleichen Weg, den Danira wenige Tage zuvor schon einmal beschritten hatte. Kein Mensch war zu sehen, und die Fensterläden der Häuser waren noch geschlossen, nur vereinzelt waren die Laute von Tieren zu hören. In einem Stall, der nahe an dem Bach gelegen war, scharrten und zischten ein paar Echsen. Aus einer anderen Richtung ertönte der keckernde Ruf eines Arath.
Danira saß auf dem Rücken einer Reitechse, die Aldaron ihnen mitgegeben hatte. Zuerst hatte Grimstan sich dagegen gesträubt, dann aber doch eingewilligt – ein Reittier war zwar auffällig, würde ihre Reise aber beträchtlich beschleunigen. Seit ihrer Begegnung mit dem Dämon fühlte Danira sich schwach und elend, daher war sie froh, nicht laufen zu müssen. Immer noch schmerzte ihr Arm – dort, wo die furchtbare Klaue sie gepackt hatte. Die Kälte des Morgens rief die Erinnerung an die eisige Berührung wach und ließ sie zittern. Die ganze Strecke war Grimstan neben ihr hergelaufen, und Danira wunderte sich darüber, denn die Echse wäre durchaus kräftig genug gewesen, um sie beide zu tragen. Während des ganzen Rittes hatte nur das Licht der Sterne und der beiden Wanderer ihnen geleuchtet. Erst jetzt, als sie ihr Ziel fast erreicht hatten, begannen die Schatten der Nacht sich aufzulösen.
Auf den Rücken der Echse war auch ein schweres Bündel geschnallt, das Danira hinter sich spüren konnte, wenn sie sich im Sattel zurücklehnte. Grimstan hatte eine ganze Weile gebraucht, um seine Besitztümer zu sortieren und die auszuwählen, die er mitnehmen wollte. Als Danira zu ihm in die Scheune gekommen war, hatte sie nur einen kurzen Blick auf eine Reihe seltsamer Gerätschaften werfen können, die der Alte auf einem Tuch ausgebreitet hatte, dann war Grimstan aufgesprungen und hatte sie hinausgeschoben. Im Schein der kleinen Laterne hatte sie nur wenige Einzelheiten erkannt: Mehrere Bücher hatten dort gelegen, außerdem ein Dolch mit einer gewellten Klinge und einem seltsam verzierten Griff. Und war da nicht auch ein silbernes Schmuckstück gewesen, von ähnlicher Machart wie die Amulette des alten Olvo? Noch andere, unbestimmbare Dinge hatten dort gelegen, und Danira fragte sich, welche Geheimnisse der alte Mann wohl mit sich herumschleppte. Sie selbst hatte ihr Bündel wesentlich schneller gepackt – ein paar Kleidungsstücke, einige Lebensmittel und ihr Schwert waren alles, was sie mit sich führte. Die Waffe trug sie wie schon zuvor in eine Decke eingerollt, denn sie wollten kein Aufsehen erregen, und auch Grimstan trug nur einen großen Dolch an seinem Gürtel.
Der Abschied von Ber-Eliath war ihr schwergefallen, und sie fühlte sich schuldig, weil sie Unheil über Loridans Familie gebracht hatte. Es hatte Grimstan einige Überzeugungskraft gekostet, auch Elea und Aldaron dazu zu bewegen, ihr Heim zu verlassen. Schließlich waren die beiden bereit gewesen, sich bis auf Weiteres zu verbergen, irgendwo, wo weder Dämonen noch Soldaten sie finden würden.
Danira fragte sich, wie genau Grimstan über die Dämonen Bescheid wusste. Hatten sie wirklich keine Möglichkeit, die Flüchtenden aufzuspüren? Während ihres Rittes hatte sie versucht, ein paar Antworten zu erhalten, doch der Alte war zugeknöpft wie immer und hatte seinerseits begonnen, sie über Timon, Olvo und die Amulette auszufragen. Die letzten Meilen der Reise hatten sie schweigsam verbracht, denn Danira war so müde, dass sie fast im Sattel schlief.
Sie erreichten das kleine Gehöft im ersten fahlen Licht des Morgens. Gorm erschien aus dem Schuppen und stieß einen lauten Ruf aus, dann lief er ihnen in seinem hüpfenden Gang entgegen. Wenig später trat Timons Vater aus dem Wohnhaus heraus, offenbar vom Keckern des Arath aufgeschreckt, und blickte den Besuchern beunruhigt entgegen. Obwohl ein Lächeln auf sein Gesicht trat, als er Danira erkannte, war immer noch Misstrauen in seinen Augen zu lesen.
»Guten Morgen, Dorban«, sagte Danira, als sie das Haus erreichten. »Es tut mir leid, dass wir euch so früh stören, aber es ist wichtig. Das hier ist Grimstan. Wir würden gerne mit Olvo reden.«
Die beiden Männer grüßten sich mit einem Nicken, und Dorban bat die Besucher ins Haus, wo seine Familie sich zum Morgenmahl versammelt hatte. An dem Tisch saßen Timon und seine Mutter, seine Schwester und sein Großvater, außerdem noch eine Frau und ein Mann, die Danira nicht kannte.
»Danira!« Der Junge sprang sofort auf, als er das Mädchen erkannte. »Was
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