Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
Timon und Grimstan durch die verschlungenen Gassen von Car-Elnath gewandert, und vor allem in Gerugrims Haus hatten sie viel Zeit verbracht. Timon fühlte sich merkwürdig zerrissen, als wohnten zwei Seelen in seiner Brust, die miteinander im Wettstreit lagen. Grimstan hatte ihm versichert, dass Gerugrim keine Gefahr für ihn darstellte, dass er bald lernen würde, mit seinen Erinnerungen umzugehen. Nun hatte der Junge beschlossen, seinen inneren Zwiespalt zu mildern, indem er sich zusammen mit seinem zweiten Ich einer gemeinsamen Aufgabe widmete.
    Das geheimnisvolle Kästchen zeigte keinerlei Hinweise auf ein Schloss, ein Scharnier oder einen Riegel, also musste irgendeine Art von Zauber wirksam sein. Was hätte Gerugrim wohl getan, um ein Problem wie dieses zu lösen? Eine plötzliche Bewegung von Gorm riss Timon aus seinen Gedanken, und als er dem Blick des Arath folgte, sah er Grimstan, der sich ihnen leise genähert hatte.
    »Die anderen bereiten gerade eine Mahlzeit vor«, sagte der alte Mann. »Willst du nicht auch etwas essen?«
    »Ich werde gleich kommen.« Für einen Moment schwieg der Junge. »Du willst, dass ich den anderen jetzt von Gerugrim berichte, oder?«
    »Ja, es ist an der Zeit. Es müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden – Selina will morgen früh aufbrechen, denn sie sehnt sich danach, ihren Drachenbruder wiederzusehen. Danira und Loridan wollen sie begleiten.«
    »Morgen schon?«, fragte Timon. »Das ist früher, als ich erwartet hatte. Ich kann die Stadt noch nicht verlassen, denn immer noch scheint ein Teil von Gerugrims Geist an diesen Ort gebunden zu sein. Wie du es vermutet hast, sind viele meiner Erinnerungen wiedergekehrt – auch wenn wesentlich mehr noch im Dunkeln verborgen liegt.«
    »Und weißt du inzwischen, wie es dir gelungen ist, deinen Geist an diese Welt zu binden?«
    »Nein.« Der Junge zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. »Ich frage mich, ob ich mein ganzes Leben damit verbringen werde, nach den Geheimnissen zu suchen, die Gerugrim bereits ergründet hatte.«
    »Das ist eine Frage, die sich viele Magier in den letzten hundert Jahren gestellt haben.« Grimstan lächelte schwach. »Aber du hast bessere Chancen als jeder andere vor dir, Gerugrims Wissen wiederzuentdecken.«
    »Ja, das hoffe ich. Und vielleicht bin ich bereits auf dem richtigen Weg, eines unserer Rätsel zu lösen.« Timon hielt Tan-Thalions Kästchen hoch. »Die Schatulle – ich glaube, ich weiß nun, wie ich sie öffnen kann.«
    »Und wie?« Neugierig setzte Grimstan sich auf einen Mauerbrocken in der Nähe des Jungen.
    »Ich denke, sie ist durch einen Zauber verschlossen«, sagte Timon. »Es muss so sein, denn kein äußerliches Merkmal weist auf ein Schloss oder einen geheimen Mechanismus hin.«
    »Und?«, fragte Grimstan.
    »Vielleicht hat Tan-Thalion die Schatulle so verzaubert, dass sie sich durch ein geheimes Schlüsselwort öffnen lässt.« Timon dachte kurz nach. »Aber noch sicherer wäre es, wenn die Öffnung nur durch einen magischen Befehl erfolgen kann – einen Schlüsselzauber gewissermaßen. Doch dieser Schlüssel ist nun verloren, da Tan-Thalion tot ist.«
    »Welchen Weg gibt es also, das Kästchen zu öffnen?«
    »So, wie man ein normales Schloss aufbrechen kann, wenn der Schlüssel dazu fehlt, so kann ich auch versuchen, den Zauber zu brechen.«
    »Hast du es schon versucht?«, fragte Grimstan.
    »Nein – denn ich kann nur erfolgreich sein, wenn mein Zauber stärker ist als der von Tan-Thalion. Wenn ich es versuche, wird sich also zeigen, wie viel von Gerugrims Macht wirklich in mir ist.«
    »Es gibt wohl nur einen Weg, dies herauszufinden«, sagte Grimstan.
    »Ja, es gibt nur einen Weg.« Entschlossen legte Timon das Kästchen auf einen Stein und hockte sich davor. Für eine Weile konzentrierte er seinen Blick auf die Ornamente in der silbrigen Oberfläche, dann schloss er seine Augen und atmete tief ein. Mit seinem Geist ergriff er das Kästchen, ertastete seine Umrisse und versuchte, in sein Inneres einzudringen. Es verging einige Zeit, in der Timon einen Halt suchte, an dem seine mentale Kraft ansetzen konnte. Dann glaubte er, einen Widerstand zu spüren, ein Hindernis, das sich seinem forschenden Tasten widersetzte. Schweiß rann über seine Stirn, als er seine Kraft verstärkte, um den Widerstand zu durchbrechen. Endlich fühlte er, wie in der Schatulle etwas nachgab, wie sich der Deckel öffnete. Mit einem Gefühl des Triumphs öffnete Timon seine Augen, und er

Weitere Kostenlose Bücher