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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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gewesen als die ihres Vaters. Von Stürmen hatte Raydan berichtet, in denen das Meer zu haushohen Wellen aufgewühlt war, von Piraten, die in den verlassenen Siedlungen an der Küste des südlichen Landes hausten, und von furchtbaren Meereswesen, die dazu in der Lage waren, ganze Schiffe in die Tiefe zu reißen. Die Geschichten hatten Danira erschreckt, auch wenn sie ihrer Zuneigung zum Meer keinen Abbruch getan hatten.
    Auch jetzt hatte sie sich wieder dem Meer zugewandt, um durch seine Nähe Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden. Einige ihrer Gefährten hatten sich schon unter Deck begeben, nur Loridan und Selina standen in ihrer Nähe, ein paar Schritte abseits, in eine leise Unterhaltung vertieft. Verstohlen sah Danira zu den beiden hinüber, bevor sie vorsichtig den kleinen ledernen Beutel öffnete, den sie um ihren Hals trug. Darin lag der Stein, den Timon ihr zwei Tage zuvor geschenkt hatte. Aber nein, es war kein Stein – eine Perle hatte Timon es genannt, die kondensierte Zauberkraft eines Drachen. Was sollte sie nun damit tun? Seit ihr Blut sich mit dem von Goldschuppe vermischt hatte, war sie empfänglich geworden für die Magie der Drachen und hatte bereits begonnen, ihre Sprache zu erlernen. Dennoch hatte sie es nicht geschafft, in sich selbst die Kraft zu finden, von der Eisenklaue gesprochen hatte. Sie verstand nun, wie Timon sich gefühlt haben musste, als er die Erinnerungen des alten Zauberers in sich entdeckt hatte. Auch er hatte lange Zeit sein Innerstes ergründen müssen, um die alten Erinnerungen wieder erwachen zu lassen.
    Nachdenklich blickte Danira im schwindenden Licht des Abends auf die kleine Kugel. Sie war dunkelrot, doch die Oberfläche war überzogen mit grauen, wolkenartigen Schlieren. Danira hatte während der letzten beiden Tage mehrfach über der Perle gebrütet, und tatsächlich schien sie fast lebendig zu sein. Immer wieder hatten die grauen und roten Muster sich zu neuen verwirrenden Formen verschoben.
    Als die Sonne schon halb im Meer versunken war, sah Danira, dass am östlichen Horizont auch Eril-Firion bereits als schmaler Streifen zu sehen war. Sie erinnerte sich daran, wie Timon ihr vom Schmieden der Rune erzählt hatte – auch dies war geschehen in dieser besonderen Zeitspanne, wenn Aeons Licht und Firions Auge gemeinsam auf diese Welt blickten. Entschlossen zog sie die Drachenperle aus dem kleinen Beutel hervor und hielt sie mit zwei Fingern, sodass das Licht ungehindert auf sie treffen konnte.
    Einige Zeit verging, ohne dass etwas geschah. Schon wollte Danira ihren Arm wieder senken, um die Perle zurück in den ledernen Beutel zu legen. Plötzlich jedoch spürte sie, dass etwas passierte, sie spürte, wie die Macht der Perle nach außen griff. Das Schlierenmuster der Kugel begann zu wirbeln, während ein schwaches rotes Licht in ihr erwachte. Langsam dehnte die Kugel sich aus, wurde immer größer, wobei sie gleichzeitig ihre frühere Härte verlor. Es bildete sich ein Nebel aus sanfter roter Glut, der Danira umfasste, sie zu betasten schien, so wie sie zuvor die Kugel betastet hatte. Für einen Moment empfand sie Angst, doch schnell spürte sie, dass sie nicht in Gefahr war.
    Es war eine gute Macht, die sie umfing – die Zaubermacht eines Drachen, der schon vor langer Zeit getötet worden war. Vom Geist des Drachen war nichts zu spüren, denn zweifellos war dieser im Augenblick seines Todes zu Aeon zurückgekehrt, nur ein Teil der Macht, die einst seinem materiellen Körper erlaubt hatte, der elementaren Kraft des Feuers zu gebieten, war erhalten geblieben. Diese nebelhafte Essenz des einstigen Drachen erschien unbeständig und vergänglich, nachdem sie sich aus ihrer kondensierten Form gelöst hatte, denn auch hier auf dem Meer wirkte noch der Bann der Alten, der die Macht der Drachen in ihrer Substanz bedrohte. Daniras Finger fühlten nun gar nichts mehr – die Perle hatte sich vollständig in schimmernden Dunst aufgelöst. Dann verblasste auch das Leuchten und verschwand, doch Danira wusste, dass der Zauber nicht vergangen war. Er war in sie eingedrungen mit der Luft, die sie geatmet hatte, und durch die Poren ihrer Haut. Irgendwo tief in ihr hatte er sich mit dem Drachenblut verbunden, das durch ihre Adern floss.
    Sie spürte, dass sich etwas geändert hatte – dass sie selbst sich geändert hatte, obwohl nun alles wieder zu sein schien wie zuvor. Eine Macht ruhte in ihr, aber sie hatte keine Idee, wie sie diese würde nutzen können. Plötzlich wurde ihr

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