Brüder der Drachen
sich in einer innigen Umarmung mit seiner Frau Lysida. Kaum älter als Elaine war sie, und sie trug Reisekleidung, denn sie sollte die Stadt zusammen mit den anderen Frauen verlassen. Deryn und Elaine standen bei Fürst Gorlac, auch sie gekleidet für die lange Reise in den Norden.
»Nun ist es also soweit, mein Sohn.« Der Fürst legte eine Hand auf Deryns Schulter. »Meine Tochter habe ich dir schon anvertraut – nun lege ich das Schicksal meines Volkes in deine Hände.«
»Ich werde dich nicht enttäuschen, Vater.«
»Das will ich hoffen, denn die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen. Ausgerechnet die Drachen sollen nun die Hüter sein, die über die Sicherheit dieser Menschen wachen.«
»Wir können den Drachen vertrauen.« Deryn versuchte, ein zuversichtliches Lächeln zustande zu bringen. »Sie werden uns beschützen, bis wir nach Car-Carioth zurückkehren.«
»Wenn es unsere Stadt dann noch gibt«, sagte Gorlac. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis Gweregon von der verlorenen Schlacht in Car-Osidia hört. Und vielleicht werden die Boten ihm auch berichten, dass die Soldaten aus Car-Carioth es waren, die die Geschütze zerstört haben.«
»Ich denke, dass sie den Dämonen die Schuld geben werden.«
»Vielleicht werden sie das.« Nachdenklich runzelte Gorlac seine Stirn. »Dennoch können wir uns nicht darauf verlassen. Wenn Gweregon uns die Schuld gibt, dann wird er auf Rache sinnen. Und wir haben nicht nur den Zorn des Königs auf uns gelenkt. Finstere Kreaturen durchstreifen des Nachts das Hügelland, das unsere Stadt umgibt. Car-Carioth ist kein sicherer Ort mehr.«
»Ich weiß, dass ich das nicht sagen sollte, denn die Entscheidung ist ohnehin gefallen.« Deryn zögerte, bevor er eilig weitersprach. »Aber wenn die Frauen und Kinder nun die Stadt verlassen – wäre es nicht besser, wenn die Männer uns begleiteten? Du könntest mit uns kommen und auch Fargis und Garwyn. Die Reise in den Norden ist nicht ungefährlich, wir könnten den Schutz eurer Schwerter brauchen.«
»Wir haben diese Stadt einhundertfünfzig Jahre gegen die Drachen verteidigt.« Die Augen des Fürsten funkelten. »Wir werden sie jetzt nicht kampflos aufgeben. Es werden euch genügend Soldaten begleiten, um für euren Schutz zu sorgen – zumindest bis ihr das Drachenland erreicht.«
»Ja, wir werden das Drachenland erreichen«, sagte Deryn. »Schon in Car-Elnath werden wir auf Freunde treffen. Und die Menschen dort werden uns weiterhelfen.«
»Dann ist alles gut.« Der Fürst lächelte. »Unsere Herzen werden leichter sein, wenn wir unsere Frauen und Kinder in Sicherheit wissen.«
»Wir werden damit beginnen, eine neue Stadt aufzubauen. Wenn Car-Carioth doch noch fallen sollte, dann sollt ihr im Norden eine Zuflucht finden.«
»Möge Firion deine Worte erhören. Nun ist genug gesagt worden, wir wollen den Abschied nicht länger hinauszögern.«
Der Fürst trat an seine Tochter heran, und er küsste ihre Stirn und umarmte sie lange. Auch Garwyn tauschte einen letzten Kuss mit seiner Frau. Nur Fargis und Tanea machten keine Anstalten, sich zu verabschieden, denn die alte Fürstin hatte beschlossen, ihren Mann nicht zu verlassen. Nun sprachen sie letzte Worte zu Fardhan, ihrem jüngeren Sohn, der die Menschen der Stadt in den Norden führen sollte. Schließlich löste der Fürstensohn sich von seinen Eltern und wandte sich der steilen Treppe zu, die von der Turmplattform auf den Marktplatz hinunterführte. Deryn folgte ihm gemeinsam mit Elaine und Lysida.
Respektvoll gab die Menge einen Weg frei, als die Angehörigen der Fürstenhäuser dem Rand des Platzes entgegenstrebten. Sie würden den Zug der Flüchtlinge anführen, doch sie würden laufen, so wie auch die meisten anderen Menschen, die die Stadt nun verlassen sollten. Nur wenige Reittiere gab es in Car-Carioth, und sie wurden nun gebraucht, um die Wagen mit den Vorräten zu ziehen. Auf manchen Wagen waren auch Sitzplätze für Passagiere geschaffen worden, und dort saßen schwangere Frauen und kleine Kinder, die noch nicht in der Lage waren, weite Strecken zu laufen.
Deryn ahnte, dass es von Tag zu Tag mehr Menschen geben würde, die durch die harten Märsche an die Grenzen ihrer Kräfte kämen. Die Angst in den Augen der Frauen bereitete ihm Kummer, auch wenn er wusste, dass die Lage derer, die in der Stadt zurückblieben, bedrohlicher war. Ein leises Unbehagen beschlich ihn, weil er zusammen mit den Frauen und Kindern in den Norden floh, während die meisten
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