Brüder der Drachen
erschien immer noch ausdruckslos, doch seine Stimme hatte an Macht zugenommen. Und gleichzeitig mit seinen Worten wehte ein Sturmwind über den Hügel, während zuckende Blitze die Wolke von innen heraus zum Leuchten brachten. »Weicht zurück, oder sein Zorn wird euch zerschmettern.«
»Nein, wir werden nicht gehen ohne unsere Gefährten.« Melia hob einen Arm, um ihr Gesicht vor den beißenden Eiskristallen zu schützen, die der Wind mit sich trug. »Dein Toben schreckt uns nicht, denn auch wir gebieten über die Macht der Elemente. Gib unsere Gefährten frei, wenn du deine Kraft nicht gegen die unsere erproben willst.«
»Närrin!« Der Wind nahm weiter zu, und Blitze zuckten über die Köpfe der Gefährten hinweg. »Noch nie hat irgendein Geschöpf dieser Welt meiner Macht widerstanden.«
»Trotzdem werden wir es wagen«, sagte Melia, und sie hob ihren rechten Arm in die Höhe. In ihrer Hand glitzerte Rhyn, die Rune der Luft.
Doch ihr Feind war schneller. Für einen kurzen Augenblick sahen die Gefährten Ul’ur in seiner wahren Gestalt, als er aus den Wolken hervortrat, die die Spitze des Hügels verhüllten. Die Wolken wirbelten, verdichteten sich, denn sie waren ein Teil von ihm, und er war ein Teil von ihnen. Aber Ul’ur war noch mehr. Seine Gestalt ähnelte einem Menschen, aufrecht und von stolzer Haltung, denn er war aus Thaur-Angoths Geist entsprungen, der erfüllt war von seinem Neid und Hass auf Firions Kreaturen seit dem Anbeginn der Schöpfung. So groß wie vier oder fünf Menschen erschien Ul’ur zunächst, dann allerdings schrumpfte er, während seine Formen sich verdichteten. Das Wesen, das sich aus den Wolken löste, war Feuer und Eis zugleich und auch Luft, Stein und Wasser. Immer noch größer war er als jeder sterbliche Mensch. Nur kurz währte die Vision von Ul’urs mächtiger Gestalt, und schon waren die Gefährten umgeben von der Urgewalt der Elemente.
Danira fühlte, wie sie von einer gewaltigen Macht gepackt wurde, einer Macht, die alle ihre Empfindungen einnahm. Was sie sah, war die lodernde Flamme des ewigen Feuers. Was sie hörte war das Brausen eines Windes, der nie enden würde. Sie fühlte eine Kälte, die sie erstarren ließ. Sie konnte nichts riechen oder schmecken, denn sie schien zu ertrinken in einem ewigen Ozean. Und eine Last lähmte ihr Herz, als sei es erstarrt zu Stein. Ihre Gefährten waren verschwunden, waren nicht länger ein Bestandteil ihrer Wahrnehmung, sondern nur noch eine Erinnerung an eine andere Welt, die nun fern und unerreichbar war.
Trotzdem gab es etwas, das sie sah: In ihrer Hand leuchtete Thrya, die Rune des Feuers, und sie spürte das harte Metall in ihrer Hand. Dann endlich hörte sie auch etwas – Timons Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien und sich kaum über das Tosen des Windes hinweghob.
»Seth aldan d’dun! Seth ar-dalan!«, sagte Timon. Obwohl seine Stimme ruhig und gelassen klang, war eine gewaltige Macht in ihr verborgen. Die Kraft dieser Stimme durchschnitt die lähmende Leere, in der Danira gefangen war. Und noch etwas änderte sich: Die eisige Kälte endete, und wieder hörte Danira eine Stimme.
»Fain aldan d’dun! Fain nar kor’ar!«, sagte Loridan. Die Stimme des Ritters klang schwächer als die von Timon; eine Qual lag in ihr, die Danira erschaudern ließ. Trotzdem durchströmte sie auch neue Kraft, denn das Gefühl des Ertrinkens löste sich von ihr.
»Khia aldan d’dun! Khia tur goran!« Auch Selinas Stimme klang schwach und gequält, und Danira fühlte sich gedrängt, ihrer Gefährtin beizustehen. Schon fiel die steinerne Last von ihrem Herzen, leicht und befreit atmete sie auf. Nur der tosende Feuersturm war geblieben, der sie verbrannte, sie blendete und ihre Ohren dröhnen ließ.
»Thrya aldan d’dun!«, sagte Danira. »Thrya tir nid’din.«
Das Feuer endete. Endlich konnte Danira wieder etwas sehen – zunächst nur schemenhaft, aber bald war ihr Blick wieder klar. Sie befand sich in einer Welt, die nur halb real erschien. Der steinige Boden des Hügels war verschwunden, und sie schritt über einen gestaltlosen Untergrund, der wie verdichteter Nebel erschien. Ihre Gefährten waren verloren in dem formlosen Dunst, der sie umgab. Mit beiden Händen hielt Danira die Thrya-Rune vor sich ausgestreckt. Das Amulett leuchtete in einem hellen Licht, doch von dem Stahldraht, der sich um die Rune wand, liefen dunkle Schlieren über das helle Silber. Danira zitterte bei dem Gedanken, dass die Macht der Rune
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