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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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schaute nachdenklich aufs Meer hinaus. Erst nach kurzem Schweigen sprach er wieder. »Melia sagte mir, dass ich ein Auserwählter bin, dass es schon immer meine Rolle war, diese Pflicht zu erfüllen. Wenn irgendein Mensch mir diese Worte gesagt hätte, bevor ich durch dieses Land hier gereist bin, hätte ich ihn ausgelacht. Doch nun ist alles anders. Ich habe dich getroffen, vor langer Zeit, weit im Norden. Nur deine Worte haben mich dazu bewogen, die Wunder des Südens zu suchen. Und hier habe ich Heilung gefunden und noch viel mehr. Ich sehe nun, dass dies nicht alles Zufälle sein können. Ich werde meine Rolle spielen in diesem Spiel, und ich bin begierig zu wissen, wie es enden wird. Leben oder Tod, Glück oder Verzweiflung – alles ist nun möglich. Und dies ist für mich schon ein Schimmer der Hoffnung, denn früher hatte ich keine Aussicht mehr, außer dem Tod.«
    »Ja, alles ist nun möglich.« Tirandor nickte bedächtig und setzte sich neben den Sänger auf die Mauer. »Auch wenn düstere Ahnungen mich quälen. Im Norden herrscht Krieg, und finstere Dämonen suchen die Menschen heim. Ich hatte gehofft, dass der südliche Kontinent eine Zuflucht sein könnte, wenn das Böse im Norden siegen sollte. Nun allerdings scheint Thaur-Angoth seine Klauen bereits hierher in den Süden auszustrecken, denn schreckliche Kreaturen suchen den Hafen dieser Stadt heim. Schon vor acht Tagen, als wir Halfas hier in Car-Danaan trafen, habe ich eines dieser Wesen gesehen – wie ein Fisch erschien es mir, aber es hatte eine menschliche Hand. Nur einen kurzen Augenblick konnte ich es betrachten, deshalb war ich mir nicht sicher, doch seitdem hat es mehrere Angriffe gegeben. Zwei Fischer verschwanden vor drei Tagen, und nur einer von ihnen wurde wiedergefunden. Tot lag er an der Küste, ein Stück abseits des Hafens, mit schrecklichen Wunden an seinem Hals. Gestern wurde ein Fischer von einer dieser Kreaturen überfallen, und er ist der Erste, der eine solche Begegnung trotz schwerer Wunden überlebt hat. Ich komme gerade von seinem Krankenlager. Seine Beschreibung des Wesens passt zu der Beobachtung, die ich vor einigen Tagen machte: eine Kreatur, halb Mensch und halb Fisch, mit schuppiger Haut und schrecklichen silbernen Augen. Ich nehme an, dass es ein Geschöpf ist, das die Seefahrer Meeresengel nennen.«
    »Es ist ein betrüblicher Gedanke, dass ich an all dem die Schuld trage. Ich sehe den Schrecken, der das Land ergriffen hat, in den Gesichtern der Menschen.«
    »Du trägst keine Schuld an den Taten unserer Feinde. Aber du hast recht – ein Schrecken liegt auf diesen Menschen. Als ich das letzte Mal hier im Hafen war, saßen abends singende Männer auf den Anlegestegen. Nun scheinen sie die Nähe des Meeres zu meiden.«
    Für eine Weile beobachteten die beiden Männer schweigend, wie die Fischer ihr Tagwerk beendeten. Keine Lieder wurden gesungen, und die Bewegungen der Männer waren bestimmt von ihrer Eile. An einer flachen Anlegestelle am Rand des Hafens zogen die Fischer kleinere Boote an Land und schleppten sie mühsam vom Wasser weg. Manche der Männer trugen Fackeln, obwohl das Licht des Abends noch nicht versiegt war.
    »Nicht einmal ihre Boote wollen diese Leute in der Nähe des Wassers lassen«, sagte Jandaldon. »Doch warum tragen sie Fackeln bei sich?«
    »Sie glauben, dass Feuer die Kreaturen des Wassers abschreckt«, erwiderte Tirandor und schüttelte nachdenklich seinen Kopf. »Ich hoffe, dass sie recht haben.«
    »Dieser Anblick betrübt mich. Lass uns zurück in unser Quartier gehen.«
    »Gut.« Der Heiler hatte sich gerade erhoben, als ein erschreckter Aufschrei vom Hafen her ertönte.
    Die beiden Männer wandten sich wieder dem Meer zu, und sie sahen, dass einige der Fischer voller Panik von dem Anlegesteg wegliefen. Ein entschlossener Ausdruck trat auf Jandaldons Gesicht, während er von der Mauer aufsprang.
    »Wir müssen helfen«, sagte er und rannte los, dem Strom der Fliehenden entgegen. Tirandors Blick wandte sich dem Gasthaus zu, in dem sie einen Teil der übrigen Gefährten finden würden, doch Jandaldon näherte sich bereits mit schnellen Schritten dem Steg. Mit einem leisen Fluch eilte Tirandor dem Sänger hinterher. Im Vorübergehen entriss er einem der fliehenden Fischer eine Fackel, und mit unverminderter Geschwindigkeit lief er weiter, um den Vorsprung des Sängers zu verringern.
    Der Anlegesteg lag verlassen, als Jandaldon zögernd die hölzernen Bohlen betrat. Seine erste Eile war

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